Florian Krainer lacht. „Was soll ich sagen? Wann immer ich mit Freunden einkaufen gehe und Kren kaufe, haben die ihren Spaß.“ Der bekennende Kren-Afficionado hatte das in Deutschland als Meerrettich bekannte Kreuzblütengewächs immer schon gern. Dieser Liebe konnte auch seine schon jahrelange innige Arbeitsbeziehung zur Beißwurzel nichts anhaben. An der Technischen Universität Graz brütet Krainer über der Wurzel. Genauer gesagt am Institut für Molekulare Biotechnologie. Noch genauer gesagt forscht er nicht am Kren selbst, sondern an einem besonderen Enzym des Gewächses – der Kren-Peroxidase. Ein recht sperriger Name für einen Stoff, dessen Talent darin besteht, als Reporter-Enzym durch Organismen zu wandern. Die Peroxidase hängt sich an bestimmte Moleküle und markiert sie. Dabei ist sie ziemlich vielseitig. „Sie spielt in der Diagnostik eine entscheidende Rolle, beispielsweise um nachzuweisen, ob sich nach einer Impfung die wichtigen Antikörper gebildet haben und wie lange die Impfung noch wirkt“, sagt Krainer.
Damit gibt sich die Peroxidase aber nicht zufrieden. Sie weiß sehr genau, was sie will und kann. „Das Enzym erkennt Moleküle mit Ringstrukturen. Wenn etwa über die Anti-Baby Pille Hormone ins Abwasser gelangen, dann reagiert das Enzym mit diesen Hormonen. Dadurch kann man sie hocheffizient aus dem Abwasser bekommen bevor sie wieder ins Trinkwasser gelangen.“ Das Enzym oxidiert die Hormon-Moleküle, die sich in Folge aneinander binden, größer und größer werden und dadurch herausgefiltert werden können. Auch Hepatitis-Erreger lassen sich so identifizieren.
Das vielseitige Enzym
Was die Peroxidase im Kren selbst anstellt, ist gar nicht so genau bekannt. „Sie ist jedenfalls sehr vielseitig und zum Beispiel an der Verholzung der Pflanze oder am Alterungsprozess beteiligt“, gibt Krainer zu, dass auch er längst nicht alles wisse. Das muss er auch gar nicht, denn seinen Plan kann er auch so verwirklichen. Florian Krainer will sich quasi vom Kren emanzipieren. Dazu gehört, dass er in Zukunft auf die traditionelle Methode Peroxidase zu gewinnen verzichten will – nicht aber auf die Peroxidase selbt. Industriell hergestellte Enzyme, so wie Krainer das mit dem Kren-Enzym plant, sind nicht nur ein gutes Geschäft, sie entlasten auch landwirtschaftliche Flächen. Bisher mussten mehrere Tonnen der Kren-Wurzel verwendet werden, um wenige Gramm des Enzyms zu gewinnen. Wenig ressourcenschonend und selbst in Gebieten wie der Südsteiermark, wo der Kren weite Landstriche prägt, eine ökologische Zumutung. Krainer dagegen setzt auf Mikroorganismen, um gezielt Peroxidase zu produzieren. Konkret hat es ihm die Hefe angetan. „Am Anfang haben wir noch Krenpflanzen im Labor hochgezogen, mittlerweile arbeiten wir nur noch mit Hefe. Das Prinzip ist dabei das gleiche wie beim Bierbrauen. Nur, dass man heute besser versteht, was in der Hefe passiert.“
Unter anderem nützen die Forscher, dass die Hefe sehr schnell wächst. Innerhalb weniger Tage produziert die Biomasse Enzyme für die Forscher. Weltweit gebe es einen riesigen Bedarf an Diagnose-Kits, um die Wirksamkeit von Impfungen zu überprüfen. Nur rückt die Natur dafür zu wenig Peroxidase heraus. Und wenn sie es tut, dann unterliegt auch der Kren Temperaturschwankungen und anderen Umwelteffekten, die sich auf die Qualität auswirken können. Genau hier setzt Krainer an. „Wir wollen in der Hefe Peroxidase bilden. Das geht besser, hat eine konstant hohe Qualität und ist von Außeneinflüssen unabhängig.“ Der natürliche Kren könnte sich so wieder auf sein Dasein als Nahrungsmittel konzentrieren. Der Markt für ein global nachgefragtes, bislang in der Herstellung teures Produkt sieht für Krainer günstig aus. Früher wurde auch Insulin aus der Schweineleber gewonnen, meint Krainer. Heute passiere das längst mithilfe von Bakterien. Dass er diese Idee nicht als erster hatte, gibt Florian Krainer offen zu. „Das haben schon viele probiert, allerdings war die Ausbeute immer zu gering. Mit der natürlichen Methode konnte bislang niemand mithalten. Wir haben es geschafft, einen Produktionsmechanismus zu entwickeln, der sehr vielversprechend ist.“
Die Krebs-Hoffnung
Im Kren könnte aber noch viel mehr stecken, auch wenn diese Vision bislang noch kühn ist. Es gibt Studien, die in der Kren-Peroxidase einen möglicherweise aussichtsreichen Wirkstoff gegen den Krebs sehen. Das Prinzip dahinter ist das gleiche wie bei den Hormonen und den Impfstoffen. „Man nützt dafür Antikörper, die sich nur an Krebszellen binden“, erklärt Krainer. „Daran koppelt man Peroxidase, lokalisiert das Enzym an den Krebszellen und wendet dann eine neue Substanz an, die nur für die Peroxidase gefährlich ist.“ Diese neue Substanz agiert dann als eine Art „Krebs-Scharfschütze“ und tötet gezielt und ausschließlich die befallenen Zellen. In Zellkulturen wurde das bereits getestet. Bis auf wenige Studien gibt es aber noch keine fundierten Erkenntnisse. Von klinischen Studien ist man aktuell noch weit entfernt. Näher dran ist da Florian Krainer. Er erhielt kürzlich die stattliche Förderung von 100.000 Euro zur Entwicklung seines Produktionsverfahrens. Damit ausgerüstet startet er im Sommer 2015 in die Prototypenentwicklung.