Um die Verteilung von Vermögen besser darstellbar zu machen, greifen viele auf das sprachliche Bild des Kuchens zurück. Mit Blick auf Österreich bedeutet das folgendes: Das größte Stück des Kuchens gehört nur wenigen, denn 20 Prozent der Menschen besitzen ganze 80 Prozent des Vermögens.
Sofie Waltl forscht und lehrt am Department for Economics und dem Forschungsinstitut Economics of Inequality an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die Forscherin interessiert sich mitunter dafür, wie Vermögen in verschiedenen Ländern – im Vergleich zu Österreich – verteilt ist. Dafür hat sie kürzlich zwei wissenschaftliche Aufsätze veröffentlicht (hier und hier zu finden). Wichtig ist für solche Analysen, welche Daten zur Verfügung stehen. Sofie Waltl schlägt daher vor, das System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (das ist ein Buchhaltungssystem, das Vermögens-, Einkommens- und Verbrauchssummen für jedes Land ausweist) mit Verteilungsdaten zu ergänzen: „Das Gesamtvermögen jedes Landes wird in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abgebildet. Allerdings werden nur Summen angegeben, also wie viel Vermögen es insgesamt gibt. Verteilungsindikatoren zu dieser Rechnung hinzuzufügen ist eine recht alte Idee – bereits aus den 1950ern – nur haben lange die dafür notwendigen Methoden und Mikrodaten gefehlt“, so die Forscherin. Verteilungsdaten zeigen, wie viel Prozent einer wirtschaftlichen Komponente – in diesem Fall des Vermögens – den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gehören. Dazu dienen etwa Haushaltserhebungen, die die Struktur der Vermögensbestände der privaten Haushalte zeigen. Diese Methode hat den Vorteil, dass dadurch ebenso herausgefunden werden kann, welche Haushalte zwar einkommensarm, aber dennoch vermögend sind. Diese Haushalte sind besser für Krisen gerüstet als all jene Haushalte, die weder Einkommen noch Vermögen besitzen.
Schlechte Datenlage in Österreich
Sofie Waltl hat Mikrodaten aus Haushaltsbefragungen, Informationen über die vermögendsten Haushalte in Reichenlisten und Tabellen aus Vermögenssteuerdaten für mehrere europäische Länder zusammengetragen. Diese Daten hat sie anschließend mit den Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen verglichen, somit konnte sie die Verteilung von Vermögen in unterschiedlichen Ländern (Deutschland, Finnland, Frankreich und Spanien) untersuchen und mit Österreich vergleichen. Die Auswahl der Stichprobe erklärt die Forscherin so: „Die Länderauswahl erfolgte nach dem Kriterium der Art der Umfrageerhebung (bei Vermögensumfragen), die in diesen Ländern angewandt wurde.“ So werde in Finnland auf einen großen Umfang an administrativen Daten zurückgegriffen, um verschiedene Vermögenskomponenten zu erheben, so Waltl. In Frankreich und Spanien zeichnen sich die Umfragen wiederum darin aus, dass reiche Haushalte stärker repräsentiert werden, in Deutschland habe man dies ebenso versucht, allerdings seien hier die Grunddaten zu Vermögen schlechter, erklärt Waltl weiters. Dennoch hinke vor allem Österreich hinsichtlich der Daten hinterher, konstatiert die Ökonomin: „Man kann sagen, dass die Information zu Vermögen der reichsten Personen in Österreich einer der schlechtesten in ganz Europa ist. Wir hinken hier wirklich massiv hinterher. Die Diskussion zu Vermögen und Verteilung ist wohl deshalb in Österreich auch nicht sehr ausgeprägt und recht uninformiert – wenn man um die Umstände nicht weiß, kann man sie auch nur schwer ändern.“
Weitere Ergebnisse zur Vermögensverteilung
Dabei wäre eine solche Diskussion wohl bedeutend, denn schließlich ist das Vermögen gerade in Österreich sehr ungleich verteilt. Neben der Tatsache, dass 80 Prozent des Gesamtvermögens in Österreich und auch in Deutschland in den Händen der reichsten 20 Prozent liegen, hat Waltl noch folgende Ergebnisse gewonnen: In den anderen untersuchen Ländern besitzen die einkommensreichsten 20 Prozent zwischen 48 und 62 Prozent des Gesamtvermögens. In allen Ländern sind bis zu 10 Prozent der Haushalte einkommens- und vermögensarm und sie mieten ihren Hauptwohnsitz. Dem gegenüber stehen 4,5 Prozent der Haushalte, die einkommens- und vermögensreich sind, die eine eigene Wohnung besitzen und über Kapitaleinkommen verfügen. Auch beim Unternehmensvermögen (das sind Wirtschaftsgüter, die sich im wirtschaftlichen Eigentum eines Unternehmens befinden und die zumindest teilweise zur Erzielung von Umsätzen verwendet werden) zeigt sich eine Konzentration: Mehr als 90 Prozent des gesamten Unternehmensvermögens wird von den reichsten 20 Prozent besessen.
Die Schönheit der Mathematik
Sofie Waltl merkt zu den Unterschiede zwischen Österreich und anderen Ländern hinsichtlich der Verteilung von Vermögen noch an: „Global gesehen gibt es noch wesentlich ungleichere Länder als Österreich. Im europäischen Vergleich spielt Österreich aber in der Tat in der Liga der Ländern mit höherer Vermögensungleichheit.“ Als Gründe für diese Ungleichheit nennt die Ökonomin die geringe Besteuerung von Vermögen und von Vermögenszuwachs (inkl. Transaktionssteuern, Erb- und Schenkungssteuern). „Sollte sich der institutionelle Kontext in Österreich nicht ändern und die Anzahl an erbberechtigten Nachkommen weiterhin eher gering bleiben, wird beinahe automatisch die Vermögensungleichheit von Generation zu Generation verstärkt“, fährt die Ökonomin fort.
Den Umgang mit Zahlen hat die Ökonomin bereits in ihrem Studium der Mathematik, das sie zuerst absolvierte, gelernt. Dieses habe ihr auch einen gute Grundausstattung für formalwissenschafliche Methoden mitgegeben, so die Forscherin. Dies sei insofern hilfreich, da diese Skills in vielen Bereichen gefragt seien. Ihre Liebe zu Zahlen und Mathematik erklärt die Ökonomin so „Mathematik zu studieren schadet nie und es macht ehrlich gesagt auch einfach sehr viel Spaß, da es in diesem Fach – anders als in so gut wie allen anderen Bereichen – um unumstößliche Wahrheiten geht. Wenn Sie ein Theorem – allen formalen Regeln folgend – bewiesen haben, ist diese Aussage bis in alle Ewigkeit innerhalb dieses Systems wahr und kann niemals mehr widerlegt werden. Eine derartige Sicherheit gibt’s sonst im Leben ja leider nie. Das ist die Schönheit der Mathematik.“