Mit Bill Gates verfasste er ein Buch über das „Pfannkuchen-Sortierproblem„, sein Comic „Logicomix“ stieß auf Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times. 1949 In Athen geboren hatte Christos Papadimitriou nur ein Ziel – möglichst schnell möglichst weit weg vom Leben unter der griechischen Militärjunta. Princeton war das erste Ziel. Später unterrichtet er in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und in Stanford. Seit 1996 forscht und lehrt er an der University of California, Berkeley. Wir sprachen mit ihm über Regierungen, die vor der Internet zittern, Immunität, das Deep Web und Bequemlichkeit. Ein Selfie hat der Forscher auch beigesteuert.
Sie sind ein Verteidiger davon, dass sich Computerwissenschaftler anderen Disziplinen widmen sollen? Geschichte und Psychologie etwa. Angenommen, dieser Wunsch wäre schon vor Jahrzehnten in Erfüllung gegangen, wäre die Welt heute weiter?
Gute Frage. Ich glaube, es gibt immer Moden. Wir sind in einer neuen, postmodernen Phase der Computerwissenschaften. Um den Computer geht es nicht mehr. Der ist nur mehr das Spielzeug, das uns das Internet beschert hat. Heute zählt das Netz. Und beim Internet geht es nicht um Computer – sondern um Menschen. Das Netz ist ein Instrument um zu kommunizieren und sich unglaublich vollständige und umfangreiche Informationen zu besorgen. Und wenn dein wahres Ziel Menschen sind, dann bringt es nichts, Computer zu studieren. Dann geht’s um Wirtschaft, Psychologie, Sprachen, um alles. Computerwissenschaften sind heute eine extrovertierte Disziplin, die mit der Welt in Verbindung treten muss.
Sie werden zitiert mit den Worten: „Das Internet ist die einzig wirklich große positive Kraft auf der Welt.“ Bei all den Skandalen um die NSA, Edward Snowden, den MI6,…
Lass mich das gleich aufgreifen. Was sagen uns all diese Vorfälle? Doch nur, dass die Regierungen vor dem Internet zittern. Für sie ist das die größte Bedrohung ihrer Vormachtstellung. Deshalb haben sie ihre Wachhunde von der Leine gelassen. Nicht nur Unterdrückungsregimes wie China oder Saudi-Arabien, auch die vermeintlich demokratischen Gesellschaften. Auch das Europäische Parlament und der US-Senat führen den Krieg gegen das Internet. Sie hätten das Netz schon längst abgewürgt, aber sie können es nicht, weil das Netz auch die Hauptschlagader der Weltwirtschaft ist. Wenn ich sage, dass das Internet ein Versprechen ist, dann denke ich an die Ränder des Netzes. Initiativen wie Anonymous oder WikiLeaks verkörpern das Versprechen ultimativer Freiheit und Befreiung der Menschheit durch das Netz.
Was bringt ein grundlegend demokratisches Internet, wenn man immer wieder feststellen muss, dass staatliche Autoritäten überlegene Technologie haben und mit dem genialen Instrument Internet anstellen können, was immer sie wollen?
In Wirklichkeit können sie das ja nicht. Ich glaube, das Internet ist heute das einzige, was Machthabern Angst einflößt. Alles andere können sie kontrollieren. Und ich denke, dass es ihr einziges finales Versagen werden wird. Was gerade passiert sind doch nur unbeholfene Versuche. Was ich die demokratische Natur des Internets nenne, ist schon in der DNA des Netzes angelegt. Firmen versuchen ebenfalls das Internet zu monopolisieren: Google, Facebook und so weiter. Die sind nicht alle böse. Aber sie geben ihr Bestes, um das Internet für ihre Zwecke zurechtzubiegen. Der Punkt aber ist, dass die technologische Grundarchitektur des Netzes – und da komme ich auf die Logik zurück – diese Versuche erschwert. Weil diese Firmen vom Netz leben, werden sie es nicht zerstören.
Können Sie konkretisieren, worin diese Sicherung besteht, die das Internet gegen eine nicht-demokratische Übernahme immun macht?
Immunität ist ein großes Wort. Ich sage nur, dass es schwierig zu bewerkstelligen ist, ohne den Motor dabei abzuwürgen. Und der Motor kann nicht mehr abgewürgt werden, weil er die ganze Welt antreibt. Es gibt zwei Prinzipien, die das Internet leiten. Erstens Offenheit – jeder kann teilnehmen und solange man die Regeln beachtet, kann man bei der Entwicklung der Regeln mitmachen. Und zweitens end to end[1], also, wenn ich ein Stück Information im Netz finde, dann muss ich es so behandeln, dass es egal ist, woher es kommt oder wohin es gerade unterwegs ist. Diese beiden Eckpfeiler des Netzes nicht anzuerkennen, ist ziemlich schwierig.
Im Fernsehen gibt es oft das Bild der bleichen Internet-Freaks, die aus dunklen Hinterzimmern im sogenannten Deep Web die Welt dirigieren. Gibt’s diese Orte wirklich?
Nein, niemand beherrscht die Welt auf diese Weise. Obwohl es viele große Firmen versuchen. Die Öffentlichkeit sollte sehr aufmerksam sein. Wir geben Firmen zu viele Daten preis. Die Firmen verknüpfen sie dann. Da regen wir uns über die NSA auf, wenn es doch verfügbare Verschlüsselungs-Software gibt, die das alles verhindert hätte. Es ist völlig unglaublich, warum niemand diese Software nutzt. Ich verstehe es nicht. Es wäre ja einfach alle Mails zu verschlüsseln.
Ist TOR für Sie eine dieser Schutzmöglichkeiten?
Es gibt so vieles. Für Finanztransaktionen werden diese Programme verwendet. Bei E-Mails könnte es genau so sein. Nichts spricht dagegen. Ja, es würde die Computer langsamer machen. Aber in sechs Monaten sind sie wieder genau so schnell wie jetzt. Aktuell ist es mühsam und unsere Gesellschaft hat nun einmal Bequemlichkeit zur Gottheit ernannt.
[1] end to end: Die Architektur des Internets wird als End-to-End-Prinzip bezeichnet. Die Anwendungen laufen auf einem Computer, der das Netzwerk zur Datenübertragung nutzt. Das Internet ist von Anfang an als „Netz der Gleichen“ konzipiert. Die Daten fließen frei und mit der gleichen Priorität.