So ähnlich sieht es auch Alexander Van der Bellen, der Beauftragte der Stadt Wien für Universitäten und Forschung. Van der Bellen ließ nämlich den Doktorhut als Symbol für Universitäten in die Verkehrs-App der Wiener Linien, qando, integrieren. Ein Ziel sei es „Teilnehmern an internationalen Konferenzen aber auch Erstsemestrigen sowie Studierenden und Forschern aus anderen Teilen Österreichs die Orientierung [zu] erleichtern.“
Was auffällt: keine einzige der neun Universitäten in Wien hat ein Abschlussritual, in dem der Doktorhut vorkommt. Die Bilder kommen meist aus amerikanischen oder englischen TV oder Kino-Produktionen. In Wien kommen akademische Feiern ohne mützenwerfende Absolventinnen aus. Gegen den Hut an sich habe man aber nichts, versichern mehrere Universitäten. An der Medizinischen Universität Wien wird das Symbol bewusst eingesetzt. Als dekoratives Foto. Getragen wird er aber auch hier nicht. Welche Alternativen es gäbe? „Was steht für eine Universität?“ überlegt die Mitarbeiterin einer Öffentlichkeitsarbeit. „Das ist wirklich schwierig, es muss ja für alle passen. Ein Buch geht nicht, ein Gebäude auch nicht…“. „Bei uns wäre es eher die Rolle, die die Studierenden bekommen, die als Symbol denkbar wäre“, meint die Vertreterin einer anderen Wiener Uni.
„Wir haben dann Bilder gegoogelt und nach „Universität“ oder „university“ gesucht.“ – Robert Kogler
Darüber hat auch Robert Kogler, aus dem Büro Van der Bellens, nachgedacht. „Diplomrollen standen zur Debatte, sie waren aber nicht gut erkennbar. Wir haben dann nach Bildern gegoogelt, nach „Universität“ oder „university“ gesucht und sind so auf die Doktorhüte gestoßen“. Wichtig wäre dabei vor allem die unmittelbare Erkennbarkeit. „Wir haben gemeinsam mit den Wiener Linien gesucht, für die es entscheidend ist, dass etwas gut erkennbar ist.“ Besonders die Zielgruppe der internationalen Besucher könne damit etwas anfangen, meint Kogler. „Die Assoziation muss passen.“ Dass die Doktorhüte assoziativ funktionieren, aber in der Praxis nicht verwendet werden, weiß er. „Witzigerweise passte eben am ehesten ein Symbol aus dem anglo-amerikanischen Raum“, gibt er zu. „Wichtig ist aber, dass es funktioniert.“
Und es funktioniert. Auch wenn die Traditionen, die durch das Symbol beschworen werden, nicht unbedingt aus Österreich kommen. Mörtelbrett heißt der Doktorhut auf Englisch. Mortar board, Oxford cap oder graduate cap nennen es Amerikaner und Briten. Dort befinden sich auch die Hochburgen der Doktorhut-Tradition. Selbst die Farbe der Quaste am Doktorhut ist in den USA kein Zufall, sondern detailliert geregelt. Sie gibt Aufschluss darüber, was man studiert hat. Juristen lassen eine violette Quaste baumeln, Naturwissenschafter eine goldgelbe. Ob durch Globalisierung oder durch die medial vermittelten Bilder – heute ist der akademische Kopfschmuck dem amerikanischen Campus entwachsen und breitet sich als gut verständliches Wissens-Symbol immer weiter aus.
Beliebt wären die textilen Statussymbole vor allem bei jüngeren, kleineren oder privaten Einrichtungen, meint Stefan Ferstl vom deutschen Unternehmen College & Fashion. „Wirtschaft, Management und Jura – das sind die Klassiker“, sagt Ferstl. Ein Versuch, durch akademische Insignien an Prestige oder Tradition zu gewinnen? Von Landshut aus versorgt College & Fashion Deutschland, die Schweiz und Österreich mit „akademischen Roben, Doktorhüten und Accessoires, College & Fashion“. Ferstl hat eine Erklärung für den Boom. „Das hängt mit den Nachwehen der 1968ern zusammen. Damals wurde die elitäre Kleidung an den Universitäten abgeschafft. Seit 10, 20 Jahren aber wird das wieder modern. So wie auch die Tracht wieder modern wurde.“
„Wirtschaft, Management und Jura – das sind die Klassiker.“ – Stefan Ferstl
Die großen Universitäten wären bei Doktorhüten deutlich zurückhaltender, meint Ferstl aus Erfahrung. Vor allem naturwissenschaftliche Disziplinen gelten in der Branche als Exoten. Wenn, dann engagieren sich einzelne Studiengänge oder auch einzelne Studierende, die ein Andenken mitnehmen möchten. Der in den USA strikt geregelte Farbcode wird hierzulande „eher frei“ interpretiert, so Ferstl. „Die Leute sollen sich halt einigen, so dass es einheitlich aussieht“, lautet sein Ratschlag.
Alexander Van der Bellen verweist darauf, dass „Wien ein Campus mit eigenem U-Bahnnetz [ist]. Außerdem ist Wien mit rund 190.000 Studierenden die größte Studentenstadt im deutschsprachigen Raum. Es ist also höchste Zeit, die vielen Hochschulstandorte hervorzuheben, die über die ganze Stadt verteilt sind.“
Die Universitäten auf Karten, an Haltestellen oder in Apps auszuweisen, scheint ein überfälliger Schritt. Auch wenn das dafür verwendete kleine Symbol akademische Traditionen verwischt und in Wirklichkeit keine Doktorhüte durch den Luftraum von Wiens Universitäten segeln.
Der Guardian hat einen eigenen Mortarboard-Blog (http://www.theguardian.com/education/mortarboard?page=4)
Mehr zur Geschichte des Doktorhuts: http://www.todayifoundout.com/index.php/2014/06/graduates-wear-caps-gowns/
Das Spitzenmodell, der Doktorhut Tam kostet 148,75 € http://www.college-fashion.de/College-Fashion-das-Unternehmen.html