„Biomarker sind Botenstoffe im Körper, die im Blutkreislauf auffindbar sind und dort – durch eine Blutuntersuchung – gemessen werden können“, erklärt Gunter Almer, Biologe und Senior Scientist am Klinischen Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik (KIMCL) der Medizinischen Universität Graz. Ein bekannter Biomarker ist zum Beispiel Cholesterin. „Wenn zum Beispiel das LDL-Cholesterin zu hoch ist, kann das zu Atherosklerose führen, eine häufige Gefäßerkrankung bei der sich die Arterien durch krankhafte Ablagerungen verengen und verhärten. Erhöhtes Cholesterin kann entweder genetische Ursachen haben, ist aber meistens dem eigenen Lebensstil, vor allem einer ungesunden Ernährung, geschuldet.“ Es sei jedoch wichtig, sich stets mehrere Biomarker parallel anzusehen, um Aussagen über den Gesundheitszustand einer Person treffen zu können, erklärt der Experte. Gemeinsam mit Andreas Meinitzer, Dietmar Enko und Kolleg*innen aus Turku (Finnland) untersuchte er nun den Biomarker Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) genauer – und ob bzw. wie sich dieser im Laufe der Kindheit und Jugend verändert.
Trimethylamin-N-Oxid (TMAO)
Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) ist ein Stoff, dessen Vorläufer Molekül TMA (Trimethylamin) im Körper zuerst im Darm von Bakterien gebildet wird – vor allem nach dem Verzehr von tierischen Proteinen, die im roten Fleisch, Fisch, Eiern und Käse enthalten sind. Danach gelangt TMA in die Leber, wo es zu TMAO weiterverarbeitet wird. Erhöhte TMAO-Werte stehen im Zusammenhang mit Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, neurodegnerative Erkrankungen (z. B. Parkinson, Alzheimer), Bluthochdruck und Nierenversagen. „Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) ist ein aktuell noch weniger bekannter Biomarker, erst vor ungefähr zehn Jahren befasste man sich in der Wissenschaft das erste Mal damit. TMAO hat keine großen bekannten Funktionen im Körper. Der Biomarker gibt vielmehr Hinweise auf eben diese Erkrankungen“, führt Gunter Almer aus. TMAO hat scheinbar aber auch positive Effekte: So steht es auch im Zusammenhang mit der Reduktion der Entstehung von Krebszellen und der Stabilisierung des Glukosehaushalts.
Langzeitstudie zu TMAO
Um das Vorkommen von TMAO im menschlichen Körper besser zu verstehen, untersuchten Gunter Almer und seine Kolleg*innen Blutproben aus einer Langzeitstudie: Sie analysierten die Konzentration von Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) im Blut von 1.062 Kindern und Jugendlichen – und das ab deren elftem Lebensjahr bis ins frühe Erwachsenenalter. Die Studie lief über 15 Jahre lang und die Messungen erfolgten aus Blutabnahmen im Alter von 11, 13, 15, 17, 19 und 26 Jahren. Somit konnte der Verlauf des TMAO-Spiegels gut dokumentiert werden. Dabei zeigten sich alters- und vor allem geschlechtsspezifische Unterschiede.
Faktor Geschlecht
Ab dem elften Lebensjahr stieg der TMAO-Spiegel sowohl bei Mädchen als auch bei Burschen, wobei letztere bereits in der Kindheit einen signifikant höheren TMAO-Spiegel aufwiesen – und dieser blieb auch im Laufe der Jahre höher, auch bei Eingriffen in die Ernährung. „Noch wissen wir zu wenig, warum eine Änderung der Ernährung – wie etwa die Reduktion von Fleisch und Fisch – nicht immer den gleichen Einfluss auf den TMAO-Spiegel hat. Theoretisch müsste dies schon der Fall sein, aber es braucht hier noch mehr Studien“, so Gunter Almer.
Künftige Studien
Bei den Mädchen bzw. jungen Frauen konnte sich hingegen zeigen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Menge der aufgenommenen Ballaststoffe – wie sie etwa in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst zu finden sind – und dem TMAO-Spiegel gab. Dieser war überraschenderweise aber positiv: Je mehr Ballaststoffe desto höher war das in ihrem Blut gemessene TMAO. Somit dürften der Stoffwechsel der Person und vor allem das Geschlecht eine wichtige Rolle spielen.
Der Wissenschafter nennt zwei Vermutungen, die er und seine Kolleg*innen aufgestellt haben, warum die weiblichen Studienteilnehmer*innen nichtsdestotrotz einen konstant niedrigeren TMAO-Spiegel hatten als die männlichen: „Erstens gehen wir von Effekten durch den hormonellen Unterschied aus, sprich die Hormone Testosteron und Östrogen spielen eine Rolle. Zweitens neigen Frauen schon im früheren Alter dazu sich gesünder zu ernähren, beziehungsweise besser auf die Ernährung zu achten – und das hat natürlich positive Einflüsse.“
Gunter Almer erinnert daher an die Notwendigkeit, den Faktor Geschlecht in Studien vermehrt zu beachten: „Es braucht mehr Studien, die die Unterschiede zwischen den Geschlechtern berücksichtigen und vor allem mehr auf die hormonelle Situation von Frauen eingehen.“