Zahlreiche Verschwörungstheorien über die Coronavirus-Pandemie sind seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 entstanden. Einen Lerneffekt bei jenen, die an sie glauben, können Forscher*innen der Uni Wien seither nicht erkennen.
Das SARS-CoV-2-Virus sei eine absichtlich entwickelte Biowaffe und werde über 5G-Sendemasten verbreitet: Seit über einem Jahr wertet das Austrian Corona Panel der Universität Wien die Zustimmung zu Falschaussagen wie diesen aus.
Glaube an Falschaussagen stabil
Die Daten zeigen „keinen deutlichen Lerneffekt, der den Glaube an diese Falschaussagen über Zeit verringern würde“, wie Noelle S. Lebernegg und Jakob-Moritz Eberl vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien in einem Blogeintrag schreiben.
„Wir sehen von April 2020 bis Mai 2021 je nach Verschwörungstheorie etwa fünf bis 15 Prozent der Bevölkerung, die dem grundsätzlich etwas abgewinnen können“, so Eberl. Das sei einerseits beruhigend, weil es nicht mehr geworden sind. Andererseits hätte man nach dem Herbst und Winter 2021 erwarten können, dass die Pandemie auch von diesen Personen ernster genommen werde.
Ranking der Verschwörungsmythen
Am meisten Zustimmung bekommt die Biowaffen-These, an die rund 15 Prozent der Befragten glaubten. Knapp danach folgt mit 14 Prozent die Theorie, Bill Gates wolle die Menschheit aus finanziellen Gründen zwangsimpfen. Am wenigsten Zustimmung hat mit nur drei Prozent die These, die neuen 5G-Sendemasten seien für die Verbreitung des Virus verantwortlich.
Was die erhobenen Daten auch zeigen: Wer eine Verschwörungstheorie glaubt, glaubt auch andere – unabhängig von der Thematik. Menschen, die etwa Mythen zu Klimakrise oder Geflüchteten glauben, sind auch empfänglicher für Verschwörungstheorien zur Coronavirus-Pandemie.
„Aversion gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“
Geht es also gar nicht so sehr um die Inhalte, sondern vielmehr um Verschwörungsmythen an sich? „Fehlendes Vertrauen in Institutionen“ nennt Eberl jedenfalls als typisches Merkmal von Verschwörungsanhänger*innen. „Dieses Misstrauen ist über die Ideologien hinweg relevant.“
Und dabei gehe es nicht nur um politische Institutionen, sondern vor allem auch um gesellschaftliche, wie etwa das Wissenschaftssystem. Und das gehe „Hand in Hand mit einer Aversion gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“
Verschwörungstheorien: Information und Aufklärung notwendig
„Verschwörungstheorien hat es schon vor der Pandemie gegeben und sie wird es auch danach geben“, so Eberl. Durch die Pandemie sei allerdings sichtbar geworden, wie sehr viele damit alleine gelassen werden. Der Kommunikationswissenschaftler plädiert für öffentliche Anlaufstellen: „Es muss klar sein, wo ich mir Hilfe oder Rat suchen kann, etwa wenn ein Familienmitglied betroffen ist.“
Hier müsse die Politik tätig werden und auch Bildungseinrichtungen und Journalist*innen hätten Verantwortung: „Es geht um Information, Aufklärung und vor allem auch um das Erlernen wie man mit Information auf dem Netz sorgfältig umgeht. Das betrifft die ganz Jungen, aber auch die ältere Generation.“