Kenntnisse über die eigene Gesundheit sind essenziell für unser Wohlbefinden, jedoch ist die sogenannte Gesundheitskompetenz der österreichischen Bevölkerung unterdurchschnittlich: 56 % der in Österreich lebenden Menschen haben eine zu geringe Gesundheitskompetenz. Um diese zu fördern, braucht es daher gute Gesundheitskommunikation. Es ist ebenso bedeutend, vulnerable Personen(gruppen) zu erreichen. Vulnerable Personen/gruppen) sind jene Gruppen, die nicht bzw. schlechter in der Lage sind, Herausforderungen aus eigener Kraft zu bewältigen und daher unter Krisen besonders leiden. „Vulnerabilität kann entweder auf Einzelpersonen oder Gruppen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit angewandt werden. Vulnerabilität ist oft auch kontextbezogen, d.h. das jeweilige Umfeld beeinflusst die Vulnerabilität von Einzelpersonen und Gruppen“, erklärt Isabell Koinig, Kommunikationswissenschafterin an der Universität Klagenfurt.
Vulnerable Personen(gruppen)
Im Bereich der Gesundheit bzw. Gesundheitskommunikation gelten etwa Kinder, Jugendliche, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Menschen in Not- und Extremsituationen, Menschen in Abhängigkeitsverhältnissen, Minderheiten, stigmatisierte Menschen oder Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Gesundheitszustands diskriminiert werden, als vulnerabel. „Die größte Herausforderung für die Gesundheitskommunikation liegt darin, diese Gruppen zu erreichen und mit entsprechenden Botschaften zu versorgen. Kommunikationslösungen sind nämlich nur dann erfolgreich, wenn sie auf die Spezifika und Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe zugeschnitten sind“, erklärt Isabell Koinig.
Bewusstsein schärfen
Kommunikation kann dementsprechend verwendet werden, um das Bewusstsein für historische und/oder soziale Benachteiligungen bestimmter Gruppen zu schärfen. „Ein Beispiel hierfür wäre häusliche Gewalt bzw. Gewalt gegen Frauen, Mädchen und LGBTQI+ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Queer, Intersexuelle). An diesem Beispiel lässt sich illustrieren, dass kontextuelle Änderungen wie die COVID-19 Pandemie Angriffe auf Frauen und andere vulnerable Gruppen verstärkt und deren Verwundbarkeit erhöht haben“, erklärt Koinig. Die Aufgabe der Gesundheitskommunikation besteht darin, Sensibilität für die Problematik zu schaffen (wie etwa durch Kampagnen) und betroffenen Personen(gruppen) Zugang zu Beratungs- und Hilfsangeboten zu geben. Apps, digitale Monitoring-Tools oder Social Media sind hierfür bedeutend: Durch diese werden Betroffene nicht nur informiert, sondern sie können sich auch mit anderen vernetzen, über ihre Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig unterstützen.
Gewalt gegen Frauen, Mädchen und LGBTQI+
Die Gesundheitskommunikation stellt die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen und Personen ins Zentrum mit dem Ziel, deren Sichtbarkeit zu erhöhen und somit Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Isabell Koinig nennt ein konkretes Beispiel zum Thema Gewalt gegen Frauen: „In Österreich hatten sich heuer einzelne Unternehmen, wie z.B. DM und Billa, dazu entschlossen, dieser Thematik verstärkte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. In diesem Zusammenhang wurden Hinweise auf Hilfs- und Beratungsangebote auf Kassenbons angebracht, mit dem Ziel, Berührungsängste unter Betroffenen zu reduzieren und ihnen einfach Zugang zu relevanten Serviceleistungen zu geben.“ Laut Koinig sind solche Angebote aktuell nur vereinzelt vorzufinden und sollten zukünftig nicht nur ausgeweitet, sondern auch optimiert werden.
Impfkampagne für Migrant*innen
Im Zuge der kürzlich stattgefundenen European Conference on Health Communication (ECHC) 2023, die Isabell Koinig organisierte, wurden Ansätze für die Gesundheitskommunikation für vulnerable Gruppen vorgestellt und diskutiert. Die Vorträge beschäftigten sich unter anderem mit der Rolle von Emotionen in der Gesundheitskommunikation, mentaler Gesundheit, dem Einsatz von digitalen Gesundheitsangeboten und Health Apps, Aspekten der strategischen Gesundheitskommunikation oder auch Ernährung.
So hat etwa Nicolai Savaskan erforscht, wie Social Media-Impfkampagnen, die auf verschiedenen Migrant*innen-Gruppen zugeschnitten sind, diese online erreichen. Sie konnte zeigen, dass das Potenzial für Informationen in der jeweiligen Muttersprache da ist und die Communities so besser erreicht werden können. Daher muss die öffentliche Gesundheitskommunikation die traditionellen Medienkampagnen ausweiten, um spezielle Gruppen besser zu informieren.
Mental Health auf Social Media
Elien Beelen, Kathrin Karsay und Rebecca Poulsen untersuchten wiederum die Gesundheitsinformationen, die auf Instagram und TikTok von Influencer*innen, Gesundheitsexpert*innen und Organisationen bereitgestellt werden. Die Conclusio: Psychische Gesundheit wird auf sozialen Plattformen oft genutzt, um Aufmerksamkeit zu erzielen, der offene Dialog steht dabei aber eher im Hintergrund. Positiv erwähnen die Autor*innen jedoch, dass Fachkräfte und Organisationen des Gesundheitswesens relevante Hashtags zum Thema psychische Gesundheit teilen und somit Bewusstsein für das Thema schaffen wollen.
Klimawandel und Gesundheit
Lena Lehrer, Lennart Hellmann und Cornelia Betsch befassten sich mit Kommunikation zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels. Dazu halten sie fest, dass der Klimawandel besonders starke Auswirkungen auf die Gesundheit vulnerabler Gruppen (wie z. B. ältere Menschen oder chronisch Kranke) hat. Sie wollten in ihrer Arbeit daher der Frage nachgehen, welche demografischen Merkmale diese Gruppen haben und wie man sie mit Gesundheitskommunikation am besten erreicht. In ihrer Studie konnten sie zeigen, dass Gesundheitsrisiken aufgrund des Klimawandels sehr unterschiedlich wahrgenommen wurden: Weniger offensichtliche Folgen (wie z. B. psychologische Folgen) werden als weniger riskant angesehen als eher offensichtliche Folgen (wie Hitzewellen oder extremes Wetter). Es war zudem schwierig, eine Möglichkeit zu finden, bestimmte Gruppen über bestimmte Medienarten anzusprechen. Die Segmentierung nach demografischen Merkmalen könnte sich laut den Autor*innen zwar positiv auswirken, sollte aber im großen Maßstab durchgeführt werden. Zudem appellieren die Autor*innen dafür, besonders vulnerable Gruppen besser verstehen zu lernen, damit Gesundheitskommunikation diese wichtige Zielgruppe besser erreichen kann.
Alle Beiträge der European Conference on Health Communication (ECHC) werden hier kurz beschrieben.