„In Österreich werden jährlich rund 8.000 Kinder und Jugendliche bei einem Unfall mit dem Fahrrad verletzt und anschließend im Krankenhaus behandelt. Davon sind bei rund 600 Fällen die Verletzungen auf den direkten Kontakt mit dem Fahrradlenker zurückzuführen“, erklären Nico Erlinger und Maximilian Schinagl, die beide am Institut für Fahrzeugsicherheit an der TU Graz forschen. „Bei ca. 20 Prozent der Fälle mit Verletzungen durch einen Anprall am Lenkerende ist eine stationäre Aufnahme im Krankenhaus notwendig. Besonders erwähnenswert ist, dass bei vielen Fällen mit inneren Verletzungen keine von außen sichtbaren Anzeichen gibt, sondern nur unspezifische Symptome wie Schmerzen oder Übelkeit.“
Bauch- und Unterleibsverletzungen
Für seine Masterarbeit untersuchte Maximilian Schinagl welche Rolle Fahrradlenker hier spielen. Wie sich herausstellte, eine ziemlich große. Dazu brauchte der Wissenschafter zuerst verlässliche Daten: „Studien von Krankenhäuser zeigen am häufigsten Verletzungen der Organe, wie Prellungen und Risse der Leber, Bauchspeicheldrüse oder der Milz. Diese Daten haben wir als Grundlage für unsere Simulationen verwendet“, führt er aus. Erlinger und Schinagl kennen auch den Grund dafür:„Typischerweise kommt es zu einer derartigen Verletzung, wenn ein Kind auf das Lenkerende eines seitlich am Boden liegenden Fahrrades stürzt, oder bei Auffahrunfällen, wenn sich der Lenker nach einer Kollision plötzlich dreht.“
Optimale Fahrradlenker
Maximilian Schinagl führte Computersimulationen durch und stellte die Folgen eines Aufpralls am Bauch bzw. Unterleib aus verschiedenen Winkeln dar. Dafür verwendete er sechs Lenkerenden verschiedener Hersteller und ein defektes Lenkerende ohne Schutzkappe. Er untersuchte Verletzungsrisiken wie Kontaktkraft, Eindringtiefe, Belastungen auf die Bauchwand und die Organe. Das Ergebnis: Lenkerenden mit einer vergrößerten und stabilen Schutzkappe senken das Risiko für eine Verletzung um bis zu 20 Prozent. Zudem sorgt eine leicht abgerundete Form des Lenkerendes für weniger Verletzungen. Schinagl: „Leider sieht man bei Kinderfahrrädern häufig beschädigte Lenkerenden, bei denen der Gummi abgerieben ist oder sogar das Lenkerrohr offen liegt. Ein derartig beschädigtes Lenkerende birgt ein besonders erhöhtes Verletzungsrisiko. Deswegen ist bei den Lenkerenden wichtig, dass diese robust gegen Beschädigungen sind, damit der Abrieb der Enden bei Stürzen gering ist und diese auch bei sichtbarer schwerer Beschädigung ersetzt werden.“
Forschung für mehr Sicherheit
Aktuell arbeitet Nico Erlinger mit der Kinderradmarke woom an einem weiteren Projekt: Die Firma konzentriert sich auf die Produktion von Kinderfahrrädern und möchte diese mit der wissenschaftlichen Expertise der TU Graz noch sicherer machen. Nico Erlinger: „Woom setzt bereits spezielle Lenkerenden mit vergrößerter Schutzkappe ein, die das Verletzungsrisiko deutlich reduzieren. In diesem Projekt werden die Einflüsse auf abdominale Verletzungen durch Lenkerenden genau analysiert, um die Sicherheit der Lenkerenden noch weiter zu erhöhen.“
In der Forschung gibt es zudem viele weitere Fragen, wie man Fahrradfahren sicher gestalten kann: Von der Gestaltung der Helme, über die durchgeführten Tests, bis hin dazu, ob automatisierte Fahrzeuge Unfälle mit Fahrrädern verhindern können.