Wissenschaft stellt eine Hürde für Elternschaft dar, so formulieren es die Soziologin Bettina Stadler und die Unternehmensberaterin Marita Haas. Das traditionelle Bild eines Wissenschafters/einer Wissenschafterin ist geprägt vom Fokus auf die Forschung – für Aufgaben wie Kinderbetreuung oder Hausarbeit bleibt wenig Zeit. Diese Vorstellung entsprach lange auch der Realität: „Ein häufig männlicher Wissenschafter wurde von einer nicht-erwerbstätigen Frau unterstützt, die sich um alle Aufgaben im privaten Bereich kümmerte.“ Jüngere Wissenschafterinnen wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Das macht eine Karriere in der Wissenschaft schwierig, da besonders die Phase nach dem Studium durch harte Arbeit geprägt ist. Schließlich gibt es nur wenige Stellen als Assistenz- oder Vollprofessorin – und die Konkurrenz ist groß, ebenso der Druck, regelmäßig in wissenschaftlichen Journals zu publizieren. „Um hier mithalten zu können, wenden Wissenschafter*innen ein enormes Maß an Arbeitszeit auf und diese Phase fällt häufig mit der Familiengründung zusammen.“
Karenz
In Paarbeziehungen von jungen Wissenschafter*innen gibt es häufig den Anspruch, sich die Betreuung der Kinder aufzuteilen. Frauen kümmern sich dabei jedenfalls nach der Geburt für einige Zeit um ihre Kinder. Väter entscheiden flexibler, ob und wie lange sie ihre Arbeitszeit reduzieren bzw. pausieren. Gehen sie in Karenz, sind die Kinder meist auch schon älter und es gibt einen regelmäßigeren Tagesablauf, der es auch den Vätern ermöglicht, nebenbei forschend tätig zu sein. „Mütter und Väter erleben die Elternkarenz häufig unterschiedlich und haben hinsichtlich der Anbindung an die Erwerbsarbeit verschiedene Wünsche und Bedürfnisse.“ Auch die wissenschaftlichen Karrieren von Männern und Frauen verlaufen oft unterschiedlich. Manche Forscherinnen schätzen ihre Situation schlechter ein: „In unseren Untersuchungen haben wir gesehen, dass Frauen sich sogar etwas häufiger als Männer eine wissenschaftliche Karriere wünschen, die Vereinbarkeit aber pessimistischer als Männer einschätzen.“
Hindernisse
Es fehlt – v. a. in den technischen Wissenschaften – an Vorbildern, die zeigen, wie eine wissenschaftliche Karriere mit einem erfüllten Familienleben möglich ist. Und Stadler sowie Haas nennen einen weiteren Grund, warum es Frauen – vor allem in den technischen Wissenschaften – schwerer haben: „Hinzu kommt gerade in den technischen Wissenschaften nach wie vor der Umstand, dass Vorgesetzte und Supervisor*innen in vielen Fällen männlich sind und, wenn dies nicht aktiv reflektiert wird, traditionelle Rollenbilder in den Betreuungsverhältnissen weitertragen.“
Den sogenannten Promotion Gap gibt es ebenfalls: Frauen werden seltener für Projektleitungen oder als Forschungsgruppenleiterinnen eingesetzt als ihre männliche Kollegen.
All diese Gründe führen dazu, dass Frauen in hohen akademischen Positionen unterrepräsentiert sind.
Maßnahmen
Um Arbeits- sowie Privatleben zu vereinbaren, braucht es laut den beiden Expertinnen Maßnahmen für alle: „Die Basics dafür liegen in der Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeit, Möglichkeit für Teilzeit(-phasen), planbare Arbeitszeiten und Auszeiten und Unterstützung bei der Rückkehr nach einer Karenz bzw. Auszeit.“ Wichtig ist zudem die Förderung der Elternkarenz für Väter, um Sorgearbeit gerechter aufzuteilen.
Universitäten bieten verschiedene Unterstützungsmaßnahmen an, jedoch sind diese Maßnahmen vor einem konkreten Bedarf nicht ausreichend bekannt oder der kurzfristige Zugang ist schwierig. Weitere Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit sollten laut den beiden Expertinnen unabhängig vom Geschlecht ansetzen und Menschen mit unterschiedlichen Lebens- und Familienkonzepten inkludieren: „Konkrete Maßnahmen wären zum Beispiel die Entwicklung klarer Karrierewege und weniger befristete Stellen oder das Anbieten echter Teilzeitoptionen für eine familienintensive Lebensphase.“
Schwangerschaftslabors
Bettina Stadler und Marita Haas haben kürzlich eine Studie dazu geführt, ob und wie sich Elternschaft auf die Karrieren von Wissenschafter*innen der Fakultät für Technische Chemie der TU Wien auswirkt. Dort stehen schwangere und stillende Wissenschafterinnen vor besonderen Herausforderungen, da sie häufig mit für das (ungeborene) Kind schädlichen oder gefährlichen Stoffen arbeiten. Doch es gibt auch neue Formen der Unterstützung: So haben einige Unis sogenannte Schwangerschaftslabore eingerichtet – das sind Labore mit besonders hohen Sicherheitsstandards, in denen Schwangere und Stillende jedenfalls arbeiten können.