In Österreich leben 18,4% der Bevölkerung mit einer Behinderung, das sind 1,3 Mio. Menschen (Quelle: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege, und Konsumentenschutz). Zudem waren zum Stichtag 1.1.2021 1.716.287 Menschen, also 19,2% der Bevölkerung, 65 Jahre oder älter (Quelle: Statistik Austria). Österreichs Bevölkerung wächst nicht nur stetig, sie wird auch älter. Zugleich werden verschiedenen Studien zufolge aufgrund der Corona-Pandemie 10-20% der Covid19-Erkrankten künftig an Long Covid leiden. All diese Zahlen zeigen: Immer mehr Menschen haben aufgrund einer Krankheit und/oder aufgrund ihres Alters eine körperliche bzw. geistige Beeinträchtigung. Damit diese jetzt und in Zukunft ihr Leben so gut wie möglich selbstbestimmt leben können, braucht es mitunter (technische) Möglichkeiten – wie etwa Assistenzsysteme – und für diese wiederum braucht es Forscher*innen wie Daniela Ströckl.
Barrierefreie Technik
Die studierte Medizininformatikerin ist aktuell Doktoratsstudentin an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Hauptberuflich lehrt und forscht sie zum Thema Health Informatics an der Fachhochschule Kärnten. Sie richtet ihren Fokus auf Assistenzsysteme für Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Diese müssen, so Ströckl, einen Mehrwert für die betroffenen Personen bieten. Dies geschieht dann, wenn Technik nicht stigmatisiere, erklärt die Forscherin. So scheuen Menschen sich davor, dass nicht sofort offensichtliche Beeinträchtigungen etwa durch einen rot leuchteten Notfall-Knopf auf einem Armband oder ein Senior*innenhandy sofort für alle ersichtlich werden. Weiters müssen die entwickelten Assistenzsysteme barrierefrei gestaltet sein. Um dies genauer zu veranschaulichen, nennt Ströckl folgendes Beispiel: „Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie kaufen sich ein Smart Home-System für zuhause, damit Sie Tätigkeiten wie die Jalousien- bzw. Lichtsteuerung, Heizungssteuerung usw. automatisieren können. In diesem fiktiven Beispiel erfolgt die Steuerung über eine Smartphone-App. Kleine Schieberegler, Eingabefelder und Buttons ermöglichen es Ihnen, das System auf Ihre Wünsche hin anzupassen. Stellen Sie sich weiters vor, Sie sind sehbeeinträchtigt, leiden an einem starken Tremor oder verstehen die Anglizismen nicht – dann stellt sich die Frage: Wie können Sie die Smart Home-App bedienen?“ Hersteller*innen dieser Assistenzsysteme könnten in diesem Fall also eine Sprachbedienung anbieten oder die App individualisierbar entwickeln (höherer Kontrast der Schrift, individuelle Größeneinstellung oder die Anwendung von Leichter Sprache), sodass unterschiedliche Bedürfnisse befriedigt werden können.
Assistenzsysteme und Gesundheitsmonitoring
Technik und Gesundheit sind in den letzten Jahren weitere Verbindungen eingegangen: Das Monitoring von Gesundheitswerten – wie etwa Blutdruck, Blutzucker oder Schlafqualität – ist hier nur ein Beispiel. Auch die Informatikerin Ströckl sieht diesen Trend. Und sie sieht ihn auch häufiger bei älteren Menschen. Viele wollen aktiv dazu beitragen, ihre Gesundheit zu erhalten bzw. zu verbessern. Das Monitoring von Gesundheitswerten könne Menschen also helfen, ihre Gesundheit und Sportlichkeit zu leben, ist sich die Informatikerin sicher. Die technischen Möglichkeiten seien auf jeden Fall da, wenn man an Smartphones, Smartwatches, Schlafsensoren oder an digitale Tagebücher denke, so Ströckl. Was laut der Expertin jedoch noch fehlt: Assistenzsysteme, die auch wirklich mit einer Fachperson, also etwa einem Arzt/einer Ärztin, im Hintergrund verbunden sind.
Daniela Ströckl war am Projekt Smart VitAALity unter der Leitung der FH Kärnten beteiligt, in dem es um Assistenzsysteme für ältere Menschen ging. Zusätzlich zu Lifestyle-Funktionen aus dem Informations- und Kommunikationsbereich war eine Kernkomponente das Gesundheitsmonitoring. Während der Projektlaufzeit (1.1.2017-31.12.2019) bestand das Ziel darin, in Kärnten ein gemeinsam mit Wirtschaftspartnern entwickeltes System in über 230 Haushalte zu testen. Die dafür entwickelte App ermöglichte etwa die Abfrage der täglichen mentalen Verfassung, Schritte-Monitoring sowie die Messung verschiedener Vitalparameter (Blutdruck, Körpertemperatur, Herz- und Atemfrequenz). Zusätzlich bekamen die Haushalte eine Smartwatch mit integrierte Notruffunktion. (Quelle / Buch: Pilotregion Smart VitAALity Einblicke, Ergebnisse und Befunde. Hrsg.: Oberzaucher J., Krainer D., Kada O., Ströckl D., Aigner-Walder B., ISBN/EAN978-3-7526-7433-0)
Bessere Gesundheitsvorsorge
Aktuell arbeitet Daniela Ströckl am Projekt AYUDO: „Im Oktober 2019 startete die FH Kärnten gemeinsam mit dem Klinikum Klagenfurt und der Firma Groiss Informatics unter der Leitung der Alpen Adria Universität das Projekt AYUDO, welches zur Zeit noch läuft – es bietet ebenfalls eine Tablet Appanwendung aber mit einem klareren Fokus auf Gesundheitsanwendungen (v.a. Medikamentenmanagement, Gesundheitsmonitoring von Vitalwerten, Bewegung, Flüssigkeitszufuhr oder Schmerz usw.) sowie dem Ansatz, zusätzlich zur Tablet-Bedienung auch eine Sprachinteraktion den Benutzer:innen anzubieten.“
Die Zielgruppe für beide Projekte sind Senior*innen und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Das Gesundheitsmonitoring soll dabei einfach und ohne Mehraufwand funktionieren. Bei Smart VitAALity hat dies gut funktioniert, auch beim Projekt AYUDO geht die Medizininformatikerin von einem messbaren Mehrwert für die Gesundheitsvorsorge der einzelnen Personen aus.