Sprache ist ein sehr individueller Ausdruck. Unsere grammatikalischen Vorlieben lassen dabei auch Rückschlüsse zu, mit welchen Menschen wir lieber zusammenarbeiten. Forscher*innen der Universität Wien fanden dies durch ein Experiment heraus, erklärt Anglistin und Kognitionsbiologin Theresa Matzinger: „Wir testeten Sätze, deren Inhalt man auf zwei verschiedene grammatikalische Arten ausdrücken konnte, wie z. B. ‚John gives the book to Mary‘ und ‚John gives Mary the book‘. Hier konnten wir zeigen, dass unsere Studienteilnehmer*innen lieber mit jenen Gesprächspartner*innen kooperierten, die dieselbe grammatikalische Konstruktion wie sie selbst verwendeten.“ Die Forscherin mutmaßt, dass dies auch für andere sprachliche Aspekte – wie etwa die Wortwahl – gilt.
Spiel um Geld
So lief das Experiment ab: „Im Experiment wurden die Teilnehmer*innnen mit Bildschreibungen ihrer Partner*innen konfrontiert. Daraufhin mussten sie entscheiden, mit welchem/welcher ihrer Partner*innen sie kooperieren wollten. Anreiz für diese Entscheidung war ein anschließendes Spiel, bei dem es Geld zu gewinnen gab.“ Gemeinsam mit ihren Kolleg*innen analysierte Theresa Matzinger dann, ob die Studienteilnehmer*innen bevorzugt jene Personen für das gemeinsame Spiel um Geld auswählten, die eine ähnliche Sprache wie sie verwendeten – und genau das war der Fall.
Gruppenzugehörigkeit
Im Rahmen ihrer Studie stellten die Forscher*innen zwei Hypothesen dazu auf: „Erstens könnte man ähnlich sprechende Menschen als Kooperationspartner*innen bevorzugen, weil man denkt, dass sie zur selben sozialen Gruppe gehören wie man selbst, und man eher mit Gruppenmitgliedern kooperiert als mit Außenseiter*innen. Zweitens könnte man ähnlich sprechende Menschen als Kooperationspartner*innen bevorzugen, weil man denkt, dass sie dazu gewillt sind, sich sprachlich anzupassen, und somit auch in anderen Bereichen kooperativer sein könnten.“ Die Ergebnisse der Studie deuten daraufhin, dass die erste Hypothese zutrifft und dass wir somit lieber mit Menschen kooperieren, die derselben sozialen Gruppe angehören. Unser sprachlicher Ausdruck gibt Rückschlüsse auf die Gruppenzugehörigkeit, weshalb wir uns daran orientieren.
Empathie und Hilfsbereitschaft
Kooperation ist mit anderen sozialen Phänomenen – wie Empathie und Hilfsbereitschaft – verbunden, daher nimmt die Forscherin an, dass sprachliche Ähnlichkeit auch für die Einschätzung dieser Eigenschaft genutzt werden kann. „Man weiß, dass Menschen empathischer und hilfsbereiter gegenüber Mitgliedern ihrer eigenen sozialen Gruppe als gegenüber Außenseiter*innen sind. Wenn also subtile sprachliche Ähnlichkeiten, wie z. B. grammatikalische Ähnlichkeiten reichen, um als Anzeichen für Gruppenzugehörigkeit genutzt zu werden, dann wird man vermutlich auch empathischer und hilfsbereiter zu ähnlich sprechenden Menschen sein“, schlussfolgert Theresa Matzinger.
Entscheidungen von Gruppen
Die Ergebnisse von Theresa Matzingers Forschung könnten dazu beitragen, zu verstehen, wie Entscheidungen in Gruppen getroffen werden. „Oft ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, wieso wir lieber mit bestimmten Personen kooperieren als mit anderen, oder es kann aufgrund des Inhalts eines Gesprächs nicht nachvollzogen werden, wieso bestimmt Entscheidungen getroffen werden“, sagt die Forscherin. „Um diese Entscheidungen besser zu verstehen, können unterbewusste sprachliche Ähnlichkeiten, wie z. B. Ähnlichkeiten in der Grammatik oder Wortwahl herangezogen werden. Dies ist besonders für Gruppen der Fall, wo Menschen mit verschiedenen sprachlichen Backgrounds aufeinandertreffen.“
Kooperativ – oder nicht
Sprachliche Ähnlichkeit kann dabei laut der Expertin schlecht getäuscht werden: „Versucht man, sich aktiv an die Sprache anderer Menschen anzupassen, klingt das anfangs oft unnatürlich und man wird schnell als Person, die nicht zur eigenen sozialen Gruppe gehört, entlarvt.“ Zudem erinnert Theresa Matzinger darin, dass in alltäglichen Interaktionen sehr viele andere Faktoren – wie das bisherige Verhalten, das eigene Image, das Aussehen – beeinflussen können, ob wir als kooperativ wahrgenommen werden oder nicht. „Sprachliche Ähnlichkeit ist also nur ein kleiner Puzzlestein, der dennoch dazu beitragen kann, die Mechanismen hinter menschlicher Kooperation zu verstehen“, so die Forscherin.