Am Ende starb Oswald Menghin in Buenos Aires – ohne jemals in Österreich verurteilt worden zu sein. Er konnte in Argentinien sogar unterrichten und erhielt eine österreichische Pension. Wer war Oswald Menghin und inwiefern zeigt sein Leben und Wirken das Erstarken rechtsextremer Netzwerk an den österreichischen Universitäten im 20. Jahrhundert?
Archäologe und Nazi
Oswald Menghin (1888 – 1973) war ein österreichischer Archäologe, Universitätsprofessor, Unterrichtsminister – und Nationalsozialist. Er studierte Prähistorische Archäologie an der Universität Wien und besuchte das Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Von 1917 bis 1945 war er Universitätsprofessor an der Universität Wien, zwischen 1930 und 1933 war er zudem Professor an der Universität Kairo. Er verhinderte – als Teil der antisemitischen Professorengruppe „Bärenhöhle“ – akademische Karrieren von jüdischen Wissenschafter*innen. Im Studienjahr 1935/1936 war er Rektor der Universität Wien und am 11. März 1938 wurde er Unterrichtsminister im Kabinett von Arthur Seyß-Inquart. In seiner Amtszeit fielen das Anschlussgesetz sowie die sog. „Säuberung“ der Universität Wien: Für jüdische Studierende wurde ein Numerus clausus eingeführt und es wurden rund 40 % der jüdischen Lehrkräfte entlassen. Neben seiner Tätigkeit als Minister für das NS-Regime wurde er auch Mitglied der NSDAP und weiterer NS-Organisationen.
Extrem rechte Netzwerke
2013 begann der Salzburger Zeithistoriker Robert Obermair sich mit dem Leben und Wirken Oswald Menghins zu befassen. Er stieß bereits bei Recherchen für seine Diplomarbeit auf Oswald Menghin und merkte, dass dieser kaum beforscht war. „Umso spannender fand ich es, ausgehend von seiner Person der Frage nach vermeintliche Zäsuren überschreitenden rechtsextremen Netzwerken in Politik und Wissenschaft nachzugehen.“ Für ihn steht Oswald Menghin „exemplarisch für ein Netzwerk extrem rechter Wissenschaftler in zentralen Machtpositionen an der Universität Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.“ Der Zeithistoriker konnte sehr genau nachzeichnen, wie dieses Netzwerk in den Jahren der ersten Republik zentrale Stellen an der Universität Wien besetzte und enge Verbindungen zur Politik pflegte.
Katholisch-konservatives Umfeld
Oswald Menghin bewegte sich in einem antisemitischen Umfeld, doch die Grundlage für seine Karriere legte das katholisch-konservative Umfeld in Südtirol, in dem er aufwuchs. Robert Obermair: „Menghin ist ein Beispiel für die im Laufe der Zwischenkriegszeit beobachtbare kontinuierliche ideologische Annäherung elitärer katholisch-konservativer Kreise an den Nationalsozialismus.“
Da er Mitglied der Seyß-Inquart-Regierung war, wurde Menghin nach dem Zweiten Weltkrieg auf die 1. Kriegsverbrecherliste gesetzt.
Die US-Armee verhaftete ihn kurz nach Kriegsende in Mattsee. Ein Glücksfall für ihn, wie Obermair anmerkt: „Menghin hatte zunächst das Glück, dass er von einer US-Spezialeinheit verhaftet wurde, bevor ihn die österreichischen Behörden erwischten. So wurde er nach knapp eineinhalb Jahren Internierung in Deutschland entlassen, ohne dass österreichische Ermittlungsbehörden darüber informiert wurden.“
Argentinien
Nach dem Krieg war die Entnazifizierung anfangs strenger und Menghin wurde gesucht – ihm hätte die Todesstrafe gedroht. Doch er konnte sich nach Argentinien absetzen, bei der Flucht half ihm unter anderem der damalige Salzburger Erzbischof Andreas Rohracher. Er hatte abermals Glück, wie Robert Obermair herausfand: „Bereits kurz nach seiner Ankunft in Argentinien im Frühjahr 1948 wusste man allerdings auch in Österreich Bescheid, wo er sich befand. Es wurden aber keinerlei Anstrengungen unternommen, seiner habhaft zu werden.“ 1956 wurde das Verfahren gegen ihn schließlich eingestellt. Der damalige österreichische Unterrichtsminister Heinrich Drimmel und der damalige Präsident der Akademie der Wissenschaften Richard Meister – beide Kontakte aus Menghins katholisch-konservativen Umfeld der 1930er Jahre – setzten sich für ihn ein.
Buchveröffentlichung
Oswald Menghin erhielt in den 1950er Jahren auch einen österreichischen Reisepass – obwohl er nach wie vor zur Fahndung ausgeschrieben war. „Nach Abschluss des österreichischen Staatsvertrags wurde die Fahndung gegen ihn eingestellt und er erhielt auch eine österreichische Pension (auch unter Einrechnung seiner Dienstzeit als NS-Minister) ausbezahlt“, erklärt Robert Obermair. Ebenso wurde er korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Oswald Menghin starb am 29. November 1973 in Buenos Aires.
Robert Obermair gelang es, die Verbindung zwischen rechtsextremen Netzwerken und der Wissenschaft nachzuzeichnen. Seine Dissertation über Oswald Menghin erscheint am 31. Dezember 2023 im Wissenschaftsverlag De Gruyter.