Ein Gelenk verbindet zwei Knochen miteinander und sorgt für Stabilität und Beweglichkeit. Der menschliche Körper hat insgesamt 212 Gelenke und diese weisen eine erstaunlich geringe Reibung auf. Wieso das so ist, damit befassen sich nicht nur Mediziner*innen – auch Antworten aus der Physik können helfen, unseren Körper besser zu verstehen.
Markus Valtiner ist Experte für Grenzflächenphysik. Bei einem Reibungsprozes, wie er auch in den Gelenken, etwa in den Kniegelenken stattfindet, reiben zwei Oberflächen aneinander. Ein Fall für die Grenzflächenphysik also. Daher untersuchen sein Team und er in einem aktuellen Forschungsprojekt der TU Wien, wie menschliche Gelenke funktionieren – und wieso diese sich durch geringe Reibung auszeichnen.
Gelenke: Niedrige Reibung erwünscht
„Sie können sich vorstellen, dass bei einem Reibungsprozess zwei Grenzflächen aufeinander treffen. Die Kombination aus Schmiermittel zwischen den beiden Flächen, und die (atomare) Struktur der Grenzflächen entscheiden dann über den sogenannten Reibungskoeffizienten, das ist ein Maß für die Intensität eines Reibungsprozesses. Ist dieser hoch, muss man viel Kraft aufwenden um aneinander zu gleiten, das kann wiederum dazu führen das Oberflächen dabei geschädigt werden.“
Es braucht also eine sehr niedringe Reibung, damit die Gelenke geschont werden und weniger schnell verschleißen. Markus Valtiner und sein Team fanden nun heraus, dass dies dank Ionen, die in Wasser gelöst sind, ermöglicht wird. Dieses Konzept nutzt unser Körper – und zwar bei den Gelenksflächen.
Wassermoleküle festhalten
Wasser alleine reicht nicht als Schmierstoff in den Gelenken, die Wassermoleküle müssen auch an Ort und Stelle bleiben. Dabei spielen positiv geladene Kationen eine wichtige Rolle. Kationen sind positiv geladene Ionen, also Atome, die weniger Elektronen als Protonen besitzen. Unser biologisches Gewebe ist an der Oberfläche oft negativ geladen und davon werden positiv geladene Teilchen angezogen und fixiert. Diese positiv geladenen Teilchen eignen sich, um Wassermoleküle festzuhalten.
Wassermoleküle haben eine positiv und eine negativ geladene Seite, daher lagern sie sich stark an lokal gebundene Ionen an. Dieser Mechanismus zeigt sich auch bei den sogenannten Lubricin-Molekülen. Das sind Moleküle, die an beiden Enden ebenfalls positiv geladene Stellen aufwiesen und diese beiden Enden können sich am Gewebe festhalten. Die Mitte des Moleküls bildet eine Art Schleife aus, in der das Wasser durch molekulare Wechselwirkung festgehalten wird – und bei Belastung kann dieses Wasser auch freigesetzt werden.
Nutzen für die Medizin
Um den Wasserfilm aufrecht zu erhalten, ist es wichtig, diese Schleifen zu bewegen. Daher sollte man sich bei Gelenksproblemen regelmäßig bewegen, da in unbewegten Gelenken die Reibung im Laufe der Zeit wieder größer wird.
Das von Markus Valtiner und seinem Team erworbene Wissen könnte künftig dazu genutzt werden, medizinisch nutzbare Materialien mit den gleichen Eigenschaften – etwa für geschädigte Knorpel – zu entwickeln. „Wir lernen damit von der Natur und können oftmals sogar noch bessere Mechanismen und Materialien entwickeln“, so Markus Valtiner.