Im zweiten Teil unseres Interviews mit Eugenijus Kaniusas, der die Arbeitsgruppe Biomedizinische Sensorik am Institute of Electrodynamics, Microwave and Circuit Engineering an der Technischen Universität Wien leitet, erfahren wir, wie es mit dem Datenschutz aussieht und welchen Gadgets und Apps der Forscher die besten Chancen einräumt, von Nutzern akzeptiert zu werden.
Ist ihrer Meinung nach mehr Technologie das richtige Mittel, um es den Menschen zu erleichtern „mit ihren Körpern in Einklang zu kommen“ wie es in einem Artikel zum Thema heißt?
Ich glaube, dass das derzeitige physische Volumen an bereits mitgetragener Technologie am Menschen ausreichend sein sollte. Die angewandte Technologie muss aber noch viel intelligenter werden. Jede zusätzliche Komponente, sei es nur ein weiteres tragbares Minigerät oder gar Klebeelektroden an der Haut zum üblichen Smartphone in der Tasche, müsste einen sehr deutlichen Mehrwert am Nutzen anbieten, um überhaupt von der Mehrheit der potentiellen Nutzer akzeptiert zu werden.
Armbänder, die den Körperfett-Anteil messen oder ein Headset, das die eigene Stimmung analysiert und dem Nutzer anzeigt – sieht der körperbewusste, fitte Mensch der Zukunft aus wie ein Android, mit einem Gerät am Ohr, einem Headset und vielleicht noch drei Armbändern für zusätzliche Infos?
Ich hoffe nicht. Wohlgemerkt, es gibt natürlich Menschen, die so was brauchen, weil hier andere Inputs wie auch Outputs fehlen. Jedenfalls glaube ich nicht, dass wir je auf unser ausgefeiltes Sensorium aus dem Inneren des Körpers verzichten werden können. Vielmehr können die Health Gadgets uns dabei helfen, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und die Reflektion darauf zu bewerten.
Was sind ihrer Meinung nach Anwendungen, die schlicht positiv sind, bei denen selbst die engagierteste Datenschützer keine Einwände haben können?
Solange die erhobenen Daten bei der Person bleiben und (nur) die Person über ihre Weitergabe an eine „höhere Stelle“ entscheidet – d.h. die Person verfügt über die Datenschnittstelle nach außen – bestehen meines Erachtens keine datenschutztechnischen Bedenken. Die positiven Anwendungen würde ich dahingehend definieren, ob die abgeleiteten (gesundheitlichen) Werte validiert und fundiert sind. Auf der anderen Seite gibt es auch die schlechten Apps die vorgeben etwas abzuleiten, wie z.B. ein detailliertes Schlafprofil aus Daten, die diese Schlaf-Information nur unzureichend abbilden können.
Der Chef der kalifornischen Firma Neurosky, Vecchi, meint, dass der Durchschnittskonsument den wahren Wert dieser Gadgets gar nicht erkennen und nutzen könne. „Viel wertvoller wären Wearables in den Händen von Ärzten“ oder der pharmazeutischen Industrie. Stimmen Sie dem zu?
Ich denke, dass die tragbaren Geräte erst dann zum Durchbruch kommen, wenn sie gerade vom Durchschnittskonsumenten akzeptiert werden. Denn der Durchbruch geht mit der Massentauglichkeit einher. Selbstverständlich muss der Nutzer erst überzeugt werden, dass Gadgets nützlich sind. In anderen Worten, es muss noch eine zusätzliche „Schicht“ zwischen der Technik und der Nutzerebene eingezogen werden, um die technischen Gadgets einem unbedarften Nutzer nicht-technisch schmackhaft zu machen. Die Ärzte können die erhobenen Daten sehr gut nutzen, die Pharmaindustrie sehr viel Geld damit verdienen.
Würden sie sich einen digitalen Diätassistenten ins Ohr klemmen, der ihnen in Echtzeit Ernährungstipps gibt und sie durch sanftes Flüstern auf zu wenige Wasseraufnahme aufmerksam macht?
Ich persönlich würde dies nicht machen, aber ich könnte es mir sehr gut vorstellen, dass Gadgets wie diese vielen gestressten Menschen helfen könnten, sich selbst zu helfen.
Elektrozyme hat den Schweiß als Datenträger entdeckt und propagiert „a new dimension of wellness“ täuscht es oder sind wir nicht mehr weit davon entfernt ein Wearable oder ein Smartphone auch mit unseren anderen Körperausscheidungen vertraut zu machen, um noch mehr über uns zu erfahren?
Dieses Thema der schweißbasierenden Diagnostik ist beispielsweise bei Soldaten besonders relevant, die oft an unerwünschtem Flüssigkeitsmangel leiden. Der menschliche Schweiß hat bestimmt ein (sehr) großes Potenzial.
„Nur weil es leicht ableitbar ist, heißt es noch lange nicht, dass es leicht zu interpretieren ist.“ – Eugenijus Kaniusas
Wenn Alivecor eine Handy-Schutzhülle zum EKG-Messgerät umfunktioniert und jeder selbst zum Arzt wird, sehen sie eine Gefahr in der Vielfalt der zur Verfügung stehenden Daten, die einen scheinbaren Überblick gibt, aber ohne medizinische Fach-Expertise auch falsch interpretiert werden könnte?
Es gibt einige wenige kritische Zustände, die leicht und automatisch am EKG erkannt werden können. Zudem sagt auch die ableitbare Herzratenvariabilität sehr viel über unser Befinden aus. Nichtdestotrotz bleiben sehr viele relevante Details im EKG nur einem geschulten Auge wie auch einer genaueren fachmännischen Auswertung vorbehalten. Nur weil es leicht ableitbar ist, heißt es noch lange nicht, dass es leicht zu interpretieren ist. Eine eventuelle Überinterpretation stellt eine Gefahr dar.
Sunsprite von Goodlux Technology misst die tägliche Dosis von Sonnenstrahlung und verspricht so, den Menschen fitter, glücklicher und produktiver zu machen. Noch einmal die Frage – können wir Wohlbefinden und Einklang dem eigenen Körper, tatsächlich an Apps und Gadgets auslagern?
Ein nettes Gadget mit einem auch sozial nutzbaren Resultat. Apps und Gadgets können einem auf die Sprünge helfen, einen unterstützen, auch unterhalten. Die Verantwortung für das eigene Wohlbefinden bleibt aber noch immer bei uns selbst.
Von den oben genannten Apps und Gadgets – welchem geben sie die besten Chancen und warum?
Es ist schwer vorherzusagen, aber ich würde eher „Elektrozyme“ aufgrund der eventuell leichten Anwendbarkeit und hoher Aussagekraft die besten Chancen – langfristig, wohl gemerkt – geben.
Die Podiumsdiskussion „Health Gadgets: Wie digitale Lebensretter unseren Alltag beeinflussen“ fand gestern im Haus der Musik statt. Zum ersten Teil unseres Interviews mit Eugenijus Kaniusas geht es hier.