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Ein Mann sitzt alleine vor dem offenen Meer.
4. Mai 2023

Alleinsein macht müde

Von Schrödingers Katze
Psyche
Soziale Isolation führt zu weniger Energie – wie sehr ist aber von der eigenen Persönlichkeit abhängig.

Acht Stunden ohne sozialen Kontakt – dies mussten Proband*innen einer Studie der Universität Wien unlängst tolerieren. Dabei zeigte sich: Nach dieser Zeit berichteten sie über ein höheres Maß an Müdigkeit. Doch warum fühlen wir uns müde, wenn wir eine Zeit lang keinen Kontakt zu unseren Mitmenschen haben? Laut Giorgia Silani, Leiterin der Studie, und Doktorandin Ana Stijovic (beide von der Fakultät für Psychologie der Uni Wien) gibt es mehrere Erklärungen: So könnte die verringerte Energie etwa Teil einer homöostatischen Reaktion auf den Mangel an sozialen Kontakten sein. Unter Homöostase versteht man das Prinzip eines Lebewesens unter veränderten Bedingungen das Gleichgewicht der Körperfunktionen zu erhalten. Zu den Homöostasen des Körpers gehört z. B. der Wasser-Haushalt, die Regulation der Körpertemperatur, Reflexe, der Hormonspiegel oder der Säure-Basen-Haushalt. Genau so dürfte sich das bei sozialen Kontakten verhalten; somit könnte Energiemangel ein Hinweis dafür sein, dass unser Körper den fehlenden sozialen Kontakt zu regulieren versucht. Eine anderer Erklärung ist laut den Expertinnen diese: Der Mangel an Energie könnte auch eine Folge von erhöhter Wachsamkeit (Hypervigilanz) sein: „So ist es beispielsweise möglich, dass die soziale Isolation dazu führt, dass Menschen bei der Bewältigung von Stressfaktoren mehr Energie verbrauchen, weil sie den Energiebedarf der Umwelt überschätzt haben, sie also irrtümlich dachten, mehr Energie zu benötigen, auch das kann zu einer Dysregulation des Stoffwechsels, des Herz-Kreislauf-Systems und des Immunsystems führen.“

Eine letzte Möglichkeit besteht schließlich darin, dass die soziale Isolation die Anzahl der Reize, denen wir ausgesetzt sind, reduziert – und das führt zu mehr Langeweile bzw. Müdigkeit. 

Problematische Einsamkeit

Soziale Kontakte sind für viele Lebewesen ein Grundbedürfnis. So zeigten Studien an Nagetieren und nichtmenschlichen Primaten, dass relativ kurze Zeiträume sozialer Isolation erhebliche Auswirkungen haben. „Sozial isolierte Nagetiere zeigen beispielsweise Anzeichen von Stress und depressivem Verhalten, eine erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen und eine verstärkte Tendenz, soziale Kontakte zu suchen“, so Silani und Stijovic. Auch beim Menschen haben anhaltende Zustände der Einsamkeit nachweislich schädliche Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten, das psychische und physische Wohlbefinden – und sogar auf die Lebenserwartung. Erfährt jemand lange Zeit soziale Isolation, steigt das Risiko von Depressionen, Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Arten von Krebs. 

Labor und Lockdown

In der Studie standen für die Wissenschafter*innen zwei Situationen im Fokus: Die im Labor und die zu Hause während eines COVID-19-Lockdowns. Das Ergebnis: Im Labor war der Wunsch der Teilnehmer*innen nach sozialem Kontakt größer als bei den Personen im Lockdown. Es wird vermutet, dass Personen im Labor die Situation als bedrohlicher empfanden als die zu Hause. Außerdem wurde der Lockdown als besonders außergewöhnliche Situation wahrgenommen: „So kann es beispielsweise sein, dass die Betroffenen sich trotz ihrer Einsamkeit verpflichtet fühlten, mit niemandem in Kontakt zu treten, und deshalb aufgrund der Bedrohung durch die COVID-Übertragung jede Form von Kontakt vermieden haben.“

Wenige Studien

Forschung zu sozialer Isolation ist schwierig, denn es ist aus ethischer Sicht vorab zu klären, wem diese zu Forschungszwecken zuzutrauen ist. Es muss der Frage nachgegangen werden, wer isoliert werden kann und wie lange. „Bislang haben nur wenige Studien (wie unsere) den Grad der Isolation der Teilnehmer manipuliert“, erklären Silani und Stijovic. Zudem ist die Auswahl der Proband*innen entscheidend: „Wenn wir uns nur auf Studien stützen, in denen wir Personen auswählen, die isoliert und/oder einsam sind, stellt dies ein Problem für die Interpretation der Auswirkungen sozialer Isolation auf psychologische Variablen dar, da soziale Isolation die Folge eines bestimmten psychologischen Profils und nicht die Ursache sein könnte. So kann es beispielsweise sein, dass depressive Personen sich stärker isolieren und wir deshalb diesen Zusammenhang gefunden haben, aber nicht umgekehrt.“ Daher braucht es Studien, die über einen längeren Zeitraum dauern (Längsschnittstudien).

Schlussendlich spielen auch noch Kontext sowie Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle dabei, wie gut jemand mit sozialer Isolation umgehen kann. So verfügen etwa extravertierte Menschen über ein größeres soziales Umfeld als introvertierte Menschen. „Wir sagen voraus, dass extravertierte Menschen soziale Isolation als frustrierender empfinden als introvertierte Menschen und dass die Folgen gravierender sind.“ Die Feldstudie zeigte, dass Müdigkeit bei sozialer Isolation vor allem bei geselligen (extravertierten) Personen auftritt. Jedoch braucht es auch in dieser Hinsicht noch weitere Studien.

Die Psychologin Giorgia Silani steht vor einem Schild der Fakultät für Psychologie.
Giorgia Silani ist außerordentliche Professorin an der Abteilung für Klinische und
Gesundheitspsychologie der Universität Wien © Martin Zimmermann
Psychologie-Doktorandin Ana Stijovic ist in der Natur zu sehen.
Ana Stijovic ist Doktorandin an der Abteilung für Klinische und Gesundheitspsychologie
der Universität Wien © Nemanja Vokic

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