„Making a Murderer“, „ZEIT Verbrechen“, „My Favorite Murder“ oder „Serial“ – das Genre True Crime boomt. Die Faszination dafür besteht bereits länger, wie Corinna Perchtold-Stefan vom Institut für Psychologie an der Uni Graz festhält: „Menschen haben sich schon seit jeher für Verbrechen interessiert. Kriminalreportagen gibt es so lange, wie es Zeitungen gibt, und vor dem Zeitalter des Streamings über Netflix und Co. war ‚Aktenzeichen XY‘ eine der beliebtesten Sendungen überhaupt.“ True Crime vereint: „Spannung, Mystery, Bösewichte, zwischenmenschliche Abgründe, aber auch Gerechtigkeit und Genugtuung.“ Menschen lieben das Genre auch, weil sie sich dadurch mit der Angst vor dem Tod auseinandersetzen können.
Frauen und True Crime
Es sind v. a. Frauen, die laut verschiedenen Statistiken und Berichten dem Genre treu verbunden sind. Laut Zahlen der True Crime-Studie 2022 von Seven.One Audio mit 3700 Befragten sind sogar 93 % der True Crime-Podcast-Hörer*innen Frauen, ebenso werden die Podcasts größtenteils von Frauen präsentiert. Auch die Plattform Statista kommt in einer 2022 durchgeführten Studie zu dem Ergebnis, dass Podcasts dieses Genres in Deutschland primär bei Frauen beliebt sind; Ein Viertel der befragten Frauen gab an, diese gerne zu hören. Im Artikel „Murder is Girl Talk: Why Women Love True Crime“ präsentiert die Autorin Zahlen aus den USA, die zeigen, dass v. a. Frauen loyale Fans von True Crime-Podcasts sind. Laut der Forscherin gibt es wenig wissenschaftliche Studien über die Gründe. „Eine sehr allgemeine These ist, dass Frauen empathischer sind als Männer und sich sowohl in Opfer als auch Täter besser hineinversetzen können, was die Darstellung von wahren Verbrechen für Frauen emotional fesselnder und spannender machen könnte.“
Angst vor Verbrechen
Ist es ein Widerspruch, dass gerade Frauen sich von dem Genre angesprochen fühlen, wenn man bedenkt, dass in Österreich laut Statistik Austria jede 3. Frau Opfer von Gewalt ist? Corinna Perchtold-Stefan verneint: „Es wird viel spekuliert, dass Frauen True Crime als Möglichkeit sehen, in Gefahrensituationen einzutauchen, ohne wirklich in Gefahr zu sein. Frauen haben weltweit deutlich mehr Angst als Männer, Opfer eines Verbrechens zu werden, obwohl Männer statistisch gesehen sehr viel wahrscheinlicher gewaltsam zu Tode kommen. Das nennt sich auch das ‚Angst vor Verbrechen Paradoxon‘ (fear of crime paradox). Diese Statistik gilt natürlich nicht für häusliche und sexuelle Gewalt, wohl aber für Körperverletzung und Mord.“ Corinna Perchtold-Stefan glaubt, dass Frauen True Crime mögen, weil sie lernen wollen, sich zu vor einem Verbrechen zu schützen.
Teilnahme an Studie
Gefahren an diesem Hype sieht die Psychologin keine, zumindest nicht in dem Sinne, dass Fans solcher Formate eher ein Verbrechen oder gar einen Mord begehen würden. Es gibt auch keine empirischen Hinweise darauf, dass die Fans weniger emphatisch oder emotional abgestumpft sind. „Es ist recht natürlich, dass wir Menschen Interesse an schrecklichen Dingen wie Serienmorden haben, weil es so weit außerhalb unseres Erlebenshorizonts ist und wir verstehen wollen, warum jemand so etwas Entsetzliches tun kann.“ Jedoch stellt sich die Frage, ob der übermäßige Konsum dieser Inhalte negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden hat. Die Forscherin nennt dazu zwei Thesen: „Die eine Perspektive ist, dass wir durch True Crime kreative Emotionsregulation üben und in Bedrohungssituation im Alltag besser und gefasster reagieren können. Die andere Perspektive ist, dass ein Leben in der Welt des Verbrechens uns eventuell misstrauischer, ängstlicher, und etwas paranoider machen könnte, was die Motive anderer Menschen betrifft.“
Um mehr über die Beweggründe von True Crime-Fans herauszufinden, führt Corinna Pechtold-Stefan deshalb eine Studie durch, für die sie noch Teilnehmende ab 18 Jahren sucht. Voraussetzung ist, dass die Personen entweder gerne oder überhaupt nicht True Crime konsumieren. Die Teilnehmenden müssen mit einem Zeitaufwand von ca. drei Stunden rechnen (Online-Umfrage, EKG-Testung sowie MRI-Gehirnscan). Als Dankeschön gibt es 50 Euro sowie die Aufnahme des eigenen Gehirns. (Infos und Anmeldung unter: truecrimegraz(at)gmail.com).