Künstliche Intelligenz findet zunehmend auch in der Medizin Anwendung und kann helfen, Mediziner*innen bei ihrer Arbeit zu entlasten. An der Medizinischen Universität Graz widmet sich unter anderem die Zahnärztin Barbara Kirnbauer dem Thema. In einer Studie hat sie untersucht, wie Künstliche Intelligenz beim Erstellen von Befunden von dreidimensionalen Röntgenaufnahmen des Kiefers genutzt werden kann. Sie testete das anhand der digitalen Volumentomographie, das ist ein dreidimensionales bildgebendes Röntgenverfahren, mit dem vor allem Aufnahmen des Kiefers gemacht werden. Es ging in der Studie darum, wie gut ein künstliches neuronales Netzwerk krankhafte Veränderungen im Kieferknochen rund um die Wurzelspitze erkennen kann. In einem künstlichen neuronalen Netzwerk ahmen künstliche Neuronen durch Algorithmen die Nervenzellen im Gehirn nach. Diese komplexen Verknüpfungen können verschiedene Aufgaben lösen.
Barbara Kirnbauer nahm Kontakt zu Forschenden an der TU Graz auf, um gemeinsam ein künstliches neuronales Netzwerk zu entwicklen, das von selbst periapikale Läsionen erkennt. Das sind entzündliche Veränderungen, die zu einem Knochenverlust an der Wurzelspitze eines Zahns führen. Wichtig bei dem Vorhaben war, genügend Datensätze zu haben – und zwar von Zähnen mit und ohne entzündliche Veränderungen – damit die künstliche Intelligenz genug Daten hat, um zu lernen.
KI in der Zahnmedizin
Barbara Kirnbauer trug die Datensätze zusammen, die sie selbst auswählte und befundete. Danach entwickelte sie – zusammen mit Arnela Hadzic und Darko Stern – ein zweistufiges Verfahren: „In einem ersten Schritt musste ein neuronales Netzwerk programmiert werden, dass jeden einzelnen Zahn pro Datensatz (bis zu 32 Zähne) erkennt. In einem weiteren Schritt wird unter Erhalt der detailgenauen Auflösung jeder Zahn separat von einem zweiten neuronalen Netzwerk auf eine vorhandene Entzündung untersucht. Im Rahmen des Validierungsprozesses wurden unterschiedliche mathematische Funktionen getestet. Letztendlich wurden die Ergebnisse des Netzwerkes mit dem Expertenbefund verglichen.“ Diesen Ansatz nennt man „Überwachtes Lernen“. Ein Teil der Datensätze wird zum Training und ein Teil zur Prüfung herangezogen. Kirnbauer und ihr Team haben so 2000 Zähne untersucht und die Künstliche Intelligenz lieferte äußerst gute Resultate. Nun muss sie noch an neuen Datensätzen getestet werden, um eventuelle Schwachstellen zu erkennen.
Aktueller und künftiger Einsatz von KI
Laut Barbara Kirnbauer wird Künstliche Intelligenz aktuell in der Medizin eingesetzt, um die Planung einer Behandlung zu unterstützen. Dabei geht es v. a. um das Erkennen und Darstellen anatomischer Strukturen. Neben der Zahnmedizin ist KI in vielen Bereichen der allgemeinen Radiologie im Einsatz, etwa bei der Tumordiagnostik. KI unterstützt Ärzt*innen schon jetzt bei ihren Entscheidungen. Bezüglich des künftigen Einsatzes von KI schätzt Barbara Kirnbauer: „KI wird bestimmt in den nächsten Jahren immer mehr zum Einsatz kommen, um Fachpersonal zu entlasten, Zeit zu sparen, junge Kolleg*innen in ihrer Ausbildung zu unterstützen und um auch wirtschaftlicher agieren zu können. KI wird Ärzt*innen nicht ersetzen, aber in Zeiten des Personalmangels wesentlich unterstützen können.“
Aktuell ist es aufwendig, ein solches KI-System als Medizinprodukt zu zertifizieren und im laufenden klinischen Betrieb zu warten sowie Qualitätssicherung zu betrieben, erinnert die Expertin. Zudem kann Künstliche Intelligenz nicht alles schaffen: „Die therapeutische Entscheidung nach Zusammenschau der klinischen und radiologischen Situation kann eine KI noch nicht leisten. Um sie überhaupt einsetzen zu können, müssen die Bilddaten eine ausreichende Qualität haben. Therapieren muss immer noch gut ausgebildetes Fachpersonal, aber in vielen Routineprozessen ist eine Unterstützung möglich.“