So bald werden Roboter zwischenmenschliche Beziehungen wohl nicht ersetzen: Die Begeisterung, einen sozialen Roboter im Haushalt zu haben, nimmt schnell wieder ab, wie Astrid Weiss mit ihrem Team (Chrsitiana Tsiourti, Anna Pillinger und Glenda Hannibal) in einer aktuellen Studie nachweisen konnte. Sie statteten acht – unterschiedliche aber dennoch technologieaffige – Haushalte mit sogenannten sozialen Robotern aus und beobachteten, inwiefern diese von den Menschen angenommen wurden. Ihr Ergebnis: Anfangs waren die Proband*innen neugierig, aber das Interesse an den neuen technischen Weggefährten nahm schnell wieder ab. Astrid Weiss und ihr Team beobachteten dabei den „novelty effect“ (zu Deutsch Neuheitseffekt), wie die Forscherin erklärt: So wurde in den ersten zwei Wochen der Roboter ähnlich wie ein Gefährte bzw. Haustier behandelt. Die Proband*innen streichelten den Roboter, gaben ihm einen Namen, spielten mit ihm oder beobachteten ihn einfach. Sie probierten die Funktionen des Roboters aus und fühlten sich diesem sogar emotional verbunden. Doch relativ schnell wendete sich das Blatt und schon nach ungefähr zwei Wochen bis zu vier Monaten reduzierte sich die anfängliche Begeisterung: „Bereits nach sechs Monaten interagierten die Teilnehmer*innen nur noch sporadisch mit dem Roboter oder hörten ganz auf, ihn zu benutzen“, so Weiss.
Kein nachhaltiges Interesse an Roboter Vector
Obwohl die Studie zu Beginn der Corona-Pandemie startete und die Forschenden sich daher erst recht eine Akzeptanz des Roboters erwarteten, blieb diese eben nachhaltig aus. Welche Gründe nannten die Proband*innen also, warum sie den Roboter nicht mehr verwenden wollten? Einerseits wurde der Roboter als wenig nützlich betrachtet, andererseits schien er einen zu geringen Unterhaltungswert für die Menschen zu besitzen. Diese bezeichneten die interaktiven Fähigkeiten des Roboters als „nicht intelligent genug“, ebenso gaben sie an, dass dieser „nicht wie erwartet reagierte“. Am Ende der Studie wurden die Teilnehmer*innen vor die Wahl gestellt, ob sie den Roboter behalten oder ihn gegen einen Gutschein (im gleichen Wert) eintauschen wollten. Fünf der acht Haushalte tauschen den Roboter gegen einen Gutschein ein. Der soziale Roboter, der übrigens Vector heißt, schaffte es also nicht, von seinen Besitzer*innen als Gefährte wahrgenommen zu werden, zumindest nicht auf lange Sicht. Dennoch zeigte sich eines: „Interessanterweise schien aber der wahrgenommene soziale Mehrwert durch den Besitz von Vector (d. h. der Status und die Verbindung zu anderen Menschen) längerfristig relevant zu sein. Auch als der Roboter nicht mehr aktiv genutzt wurde, zeigten ihn manche Teilnehmer*innen immer wieder anderen (auch in Videokonferenzen) oder behielten ihn als Accessoire in ihrem Bücherregal. Der Roboter diente als Vermittler für zwischenmenschlichen Austausch und teilweise als soziales Statussymbol, das Besitzer*innen gerne zu Schau stellen.“
Von Soziologie zu Robotern
Astrid Weiss studierte eigentlich Soziologie. Durch ihr Praktikum in der Forschungsgruppe Mensch-Computer-Interaktion an der Universität Salzburg wurde sie Teil eines EU-Projekts zu humanoiden Robotern. Seither ist sie dem Thema wissenschaftlich treu geblieben und forscht dazu, wie Menschen mit neuen Technologien interagieren. Doch was macht einen Roboter überhaupt ‚sozial‘? Heute versteht man unter sozialen Robotern solche, die für den Umgang mit Menschen oder Tieren geschaffen sind. Sie können durch fünf Dimensionen bestimmt werden: Die Interaktion mit Lebewesen, die Kommunikation mit Lebewesen, die Nähe zu Lebewesen, die Abbildung von Lebewesen sowie den Nutzen für Lebewesen.
Weiss erinnert daran, dass es viele unterschiedliche Definitionen gibt, die sich auch über die Jahrzehnte hinweg verändert haben. Mitte der 1990er bzw. Anfang der 2000er Jahre sei die Definition zu sozialen Robotern eher eine minimalistische gewesen; als sozial galten Roboter dann, wenn sie durch ‚soziale Hinweisreize‘ eine ‚intuitive/natürliche‘ Interaktion ermöglichten, erklärt die Expertin. „Zum Beispiel, Roboter, die Menschen-ähnliches Blickverhalten zeigen, in Dialogen Höflichkeitsflosekeln verwenden oder bei der Navigation sozial-erwünschte Distanzen einhalten“, nennt Weiss einige Beispiele.
Damals habe man sich darauf fokussiert, wie humanoide (also menschen-ähnlich gestaltete) multifunktionale Service-Roboter am besten mit den Nutzer*innen interagieren könnten, da die meisten Personen ja keine Vorerfahrung in Robotik besitzen. Ursprünglichen hätten die Forschenden, so Weiss, angenommen, dass Sprachsteuerung viel schneller robust sowie flexibel genug funktionieren würde; durch menschen-ähnliche Verhaltensweisen wollte man eine ‚soziale‘ Interaktion zwischen Mensch und Maschine erzeugen. Astrid Weiss erinnert daran, dass sie als Soziologin vor 15 Jahren noch kritisch angedeutete hätte, ob Roboter überhaupt sozial sein können. „Aber die letzten 10-20 Jahre Mensch-Roboter-Interaktionsforschung haben empirische Evidenz geschaffen, dass solche Roboter auch tatsächlich als ‚sozial‘ bewertet und wahrgenommen werden. Man nennt diesen Effekt auch Soziomorphisierung.“ Unter Soziomorphisierung versteht man die Tendenz von Menschen, Dinge und Sachverhalte in soziale Kategorien einzuteilen und mit sozialen Phänomene zu beschreiben. Astrid Weiss und ihr Team resümierten ebenso, dass Roboter mit einem konkreten Einsatzzweck besser ankommen.
Künftige Forschungsfragen
Astrid Weiss stellt sich die Frage, ob unser (zukünftiger) Umgang mit sozialen Robotern sich überhaupt sehr von unserem Umgang mit herkömmlichen Technologien unterscheiden wird:„Vielleicht sind (soziale) Roboter gar nicht so anders als andere Technologien“, mutmaßt sie. Ihrer Ansicht nach sollte der Fokus beim Design sozialer Roboter künftig vor allem auf den sozialen Mehrwert gelegt werden, denn eine Erhöhung dessen sei beständiger als eine reine Unterhaltungsfunktion. Zudem sei es von Bedeutung, das Phänomen des Soziomorphismus im Zusammenhang mit Robotern zu erforschen. Dazu erklärt sie abschließend: „Lange wurde diese Forschung mit der Annahme betrieben, dass naive’ Nutzer*innen Roboter soziomorphisieren, weil ihnen das technische Verständnis fehlt, wie diese Technologien ‚tatsächlich‘ funktionieren und dass wir dieses Phänomen für die ‚intuitive‘ Gestaltung von Robotern nutzen sollten. Mittlerweile gehe ich aber vielmehr davon aus, dass wir noch nicht verstanden haben, warum Menschen vermehrt dazu neigen, Roboter zu soziomorphisieren. Auch Nutzer*innen ohne Fachausblidung in Robotik verstehen, dass Roboter nicht wirklich fühlen und nicht wirklich Intentionen haben; dass Menschen auf Roboter so reagieren ist pretend play’ (so tun als ob).“