Er kann bis zu 50 cm lang und 3 kg schwer werden, hat einen gestreckten, mehr oder weniger hochrückigen Körper, der seitlich stark abgeflacht ist. Sein Kiefer enthält keine Zähne, aber er besitzt kräftige Schlundzähne. Seine Schuppen sind groß und sein Rücken ist dunkelgrau bis braungrau, zur Bauchseite wird seine Färbung heller. Ursprünglich stammte er aus Ostasien und Sibirien, nach und nach hat er sich gen Westen ausgebreitet. Die Rede ist vom Giebel, einer invasiven Fischart. Dunja Lamatsch hat gemeinsam mit ihrem Team nun erstmals das Genom dieses Fisches beschrieben und dabei haben die Forscher*innen entdeckt, dass sich der Giebel auf ungewöhnliche Art fortpflanzt. Er vermehrt sich durch die sogenannte Jungfernzeugung. Das bedeutet: Die Weibchen brauchen sich keinen Partner für die Fortpflanzung suchen, stattdessen nutzen sie die Spermien anderer Fische (wie etwa die des Karauschen-Männchens). Sie mischen sich also unter einem Fischschwarm und lassen dort ihre abgelegten Eier von den Männchen mitbefruchten. Die gekaperten Spermien regen nun die Eizelle des Giebels zur Teilung an und anschließend wird das Erbmaterial des fremden Männchens in der Eizelle abgebaut – ohne sonst weiter verwendet zu werden. Alle Nachkommen sind Klone des Giebelweibchens, dementsprechend sind die meisten Giebelbestände ausschließlich weiblich, Männchen kommen nur sehr selten vor.
Unisexuelle Fortpflanzung beim Giebel
Dunja Lamatsch erklärt, dass es in der Natur zahlreiche Beispiele für nicht-sexuelle Fortpflanzung gibt, vor allem bei Pflanzen und Wirbellosen. Bei Wirbeltieren seien dies jedoch sehr selten: „Asexuelle bzw. unisexuelle Fortpflanzung gibt es selten, da dabei Klone (also lauter genetisch identische Individuen) entstehen. Das ist zwar bei gleichbleibenden Umweltbedingungen sehr gut, aber wenn sich die Umweltbedingungen schnell und/oder stark verändern, ist es von Vorteil, wenn man Nachkommen mit vielen verschiedenen Genkombinationen hervorgebracht hat. Das geschieht bei sexueller Fortpflanzung, da durch durch Rekombination lauter genetisch verschiedene Geschlechtszellen entstehen, die dann zu genetisch einzigartigen (also vielen verschiedenen) Nachkommen führen.“ Jedoch hat die Jungfernzeugung, wie sie eben der Giebel nutzt, auch seine Vorteile: Denn dadurch können sich die Tiere viel schneller ausbreiten: „Der invasive Giebel vermehrt sich durch die rein weibliche Fortpflanzung viel schneller als z.B. die sich sexuell fortpflanzende Karausche, da keine Männchen produziert werden müsssen, die ja ‚nur‘ dazu da sind, die Weibchen zu befruchten. Diese Art kann dann – bei gleichen Habitatansprüchen – die sexuelle Art mengenmäßig verdrängen.“ Besonders beim Giebel sei zudem, dass er die Spermien von mehreren Fischen für seine Fortpflanzung nutze, so Lamatsch weiters.
Das Genom eines Lebewesens ist in verschiedene Chromosomensätze aufgeteilt. Tiere, die sich geschlechtlich fortpflanzen, haben dabei meist einen doppelten (diploiden) Chromosomensatz. Bei der Fortpflanzung werden bei den Männchen und Weibchen die Chromosomen in den Keimzellen aufgeteilt, das nennt man Meiose. Dabei wird jeweils nur ein einfacher Chromosomensatz weitergegeben. Allerdings können immer wieder bei der Meiose oder bei der Kreuzung verwandter Arten Organismen entstehen, die mehr als zwei Chromosomensätze haben.
Sechs Chromosomensätze
Die ist auch beim Giebel eine Besonderheit: Der Fisch ist hexaploid, er besitzt also sechs Chromosomensätze. Vier dieser Chromosomensätze sind durch die Kreuzung nicht-verwandter Fischarten zusammengekommen, die restlichen zwei wurden durch Kreuzung mit einem nahe verwandten Fisch hinzugefügt. Lamatsch und ihr Team haben also alle sechs Chromosomensätze analysiert. Das Genom des Giebels besteht dabei aus 150 Chromosomen – das sind drei Mal so viele als beim Menschen. Dunja Lamatsch über die Entschlüsselung des Genom des Giebels: „Dadurch konnten wir Rückschlüsse auf seine Entstehungsgeschichte ziehen. Ausserdem haben wir ein geschlechtsdeterminierendes Gen gefunden, dessen Funktion nun noch weiter untersucht werden wird. Die Entdeckung vieler selectiver Gen-Deletionen (als Deletion bezeichnet man in der Genetik den Verlust eines DNA-Abschnitts; Anm. der Red.) eröffnet zusätzlich interessante neue Forschungsansätze.“
Der Giebel ist mit dem Goldfisch verwandt, einer Fischwart, die wohl jede*r kennt. Dunja Lamatsch erinnert daran, dass der Giebel im Freiland leicht mit dem „verwilderten Goldfisch“, der übrigens seine Farbe verliert, oder mit der Karausche verwechselt werden kann. Bisher haben sie und ihr Team den Giebel in allen untersuchten Gewässern gefunden, allerdings unterschiedlich häufig. „Wir arbeiten gerade an genetischen Markern, anhand derer die An- bzw. Abwesenheit des Giebels bzw. sogar seiner Häufigkeit aus reinen Wasserproben nachgewiesen werden kann“, so Lamatsch abschließend.