Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Seit der Pandemie hat das Arbeiten in den eigenen vier Wänden deutlich zugenommen. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Arbeit haben 2020 39% aller unselbstständig Erwerbstätigen, also 1,5 Millionen Österreicher*innen, zumindest zeitweise im Homeoffice gearbeitet. Dies dürfte sich auch so schnell nicht ändern und viele Menschen begrüßen die damit einhergehende Flexibilität sowie das Wegfallen längerer Pendelwege.
Das Arbeiten im Homeoffice wirkt sich dennoch unterschiedlich aus – vor allem hinsichtlich der Grenzziehung von Arbeit und Privatleben; ebenso trägt das Homeoffice dazu bei, dass wir noch intensiver Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) nützen. Welche Auswirkungen dies hat und welche Richtlinien Unternehmen für die IKT-Nutzung erlassen sollten, das erforscht aktuell eine Studie an der Uni Graz unter der Leitung von Bettina Kubicek.
Wenig Maßnahmen fürs Homeoffice
Bettina Kubicek ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Graz und beschäftigt sich in ihrer Forschung mit der Intensivierung und Flexibilität von Arbeit. Kubicek und ihr Team führen Interviews mit Betriebsratsmitgliedern, Geschäftsführer*innen sowie Leiter*innen des Personalmanagement. Zudem gibt es eine Onlinebefragung und eine Tagebuchstudie. Das Ziel der Studie besteht darin, Maßnahmen und Richtlinien zur IKT-basierten Arbeit zu erstellen. Das Projekt wird durch die AK Steiermark gefördert und fokussiert auf steirische Firmen und Arbeitnehmer*innen. Erste Ergebnisse kann Kubicek bereits nennen: So gebe es bisher in nur wenigen Betrieben Richtlinien zur IKT-Nutzung bzw. Maßnahmen, um die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben zu forcieren; vor allem in kleineren und mittleren Betrieben herrschen nur informelle Regelungen. „Darüber hinaus zeigen die Interviews, dass die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen häufig unklar sind. Unsicherheit herrscht beispielsweise bei der Frage, ob Mitarbeiter*innen außerhalb der regulären Arbeitszeit E-Mails auf dem privaten Smartphone beantworten dürfen.“ Im Zuge des Projekts wird eine Broschüre ausgearbeitet, die Maßnahmen und Richtlinien zur mobilen IKT-Nutzung enthält.
Vor- und Nachteile des Homeoffice
Welche Vor- und Nachteile hat das Homeoffice? Bettina Kubicek nennt bei den Vorteilen den Wegfall der Pendel- und Reisezeit, erhöhte Flexibilität und Autonomie, weniger Lärm in den eigenen vier Wänden und eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. Die Nachteile liegen in den verschwimmenden Grenzen von Arbeit und Privatleben: „Arbeitsunterlagen oder der Arbeitsplatz zu Hause lenken Gedanken und Gefühle während der Freizeit immer wieder auf die Arbeit. Aber auch die Erwartung, für Arbeitsbelange potentiell ständig erreichbar zu sein, erschwert das Abschalten von der Arbeit in der arbeitsfreien Zeit“, so Kubicek. Zudem werden längere Arbeitszeiten oft nicht aufgezeichnet und die intensive Nutzung von IKT erschöpfe die Arbeitnehmer*innen, die Arbeit werde als beschleunigter und intensiver wahrgenommen. Über die Ambivalenz der IKT-Technologien berichtet sie: „Einerseits werden die Technologien verwendet, um soziale Präsenz zu zeigen und soziale Kontakte mit Kolleg*innen aufrechtzuerhalten. Personen, die im Home-Office arbeiten, sind folglich auf Informations- und Kommunikationstechnologien angewiesen und schätzen die erleichterte Kommunikation. Andererseits fällt es den Personen schwer, sich in der arbeitsfreien Zeit von der Arbeit und den entsprechenden Geräte zu lösen und damit auch mental von der Arbeit abzuschalten.“ Die Folge seien soziale Isolation und fehlender persönlicher Kontakt zu anderen Kolleg*innen.
Empfehlungen für Führungskräfte und Angestellte
Für Führungskräfte bzw. Arbeitnehmer*innen hat Kubicek folgende Ratschläge: Erstere sollten auf einen gerechten wie flexiblen Zugang zu Homeoffice achten und sie sollten der Isolation ihrer Angestellten entgegenwirken, die Kommunikation in den flexiblen Teams sicherstellen und den Zusammenhalt des Teams fördern. Zudem brauche es klare Regeln zur Erreichbarkeit aller. Arbeitnehmer*innen wiederum sollten Grenzen ziehen – physische, zeitliche, psychische und technologische. Ein eigener ergonomischer Arbeitsplatz sei – falls dies möglich ist – zu bevorzugen, Arbeitszeiten sollten klar festgelegt werden. Um sich besser mental von der Arbeit abzugrenzen, rät Bettina Kubicek zu Achtsamkeitstrainings und Entspannungsübungen, auch Rituale und Gewohnheiten können helfen. Bezüglich der IKT hält Kubicek abschließend fest: „Die intensive Nutzung digitaler Technologien zeigt tendenziell eine emotional erschöpfende Wirkung.“ Die Studie läuft noch bis September 2022.