Seit Jahrzehnten wird der sogenannte „Teapot-Effekt“ weltweit erforscht – zahlreichen Tischtüchern wurde er schon zum Verhängnis: Denn beim Einschenken löst sich ein Flüssigkeitsstrom manchmal nicht von einer Kanne, sondern fließt an deren Außenseite hinunter.
Mit einer aufwändigen Analyse und zahlreichen Experimenten gelang es nun einem Forschungsteam der Technischen Universität Wien, den „Teapot-Effekt“ vollständig und detailliert zu beschreiben: Ein Zusammenspiel verschiedener Kräfte sorge für eine minimale Benetzung direkt an der Kante des Schnabels – und diese reiche aus, um den Flüssigkeitsstrom umzuleiten.
„Scheinbar simpel – bemerkenswert schwierig“
Schon 1956 wurde der „Teapot-Effekt“ erstmals erwähnt. Und zwar von Markus Reiner, der gut 40 Jahre davor an der TU Wien promoviert hatte. Nach seiner Emigration in die USA wurde Reiner zu einem wichtigen Pionier der Rheologie, der Wissenschaft vom Fließverhalten. Versuche den „Teapot-Effekt“ präzise zu erklären, gab es seither immer wieder.
An Reiners Alma Mater ist dies nun gelungen. „Obwohl es sich um einen ganz alltäglichen und scheinbar simplen Effekt handelt, ist es bemerkenswert schwierig, ihn im Rahmen der Strömungsmechanik exakt zu erklären“, sagt Bernhard Scheichl, Dozent am Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung der TU.
Auf den Tropfen kommt es an
Entscheidend ist die scharfe Kante an der Unterseite des Teekannenschnabels. Denn dort bildet sich ein Tropfen, dessen Größe davon abhängt, mit welcher Geschwindigkeit die Flüssigkeit aus der Kanne fließt. Wird eine bestimmte Geschwindigkeit unterschritten, kann dieser Tropfen dafür sorgen, dass der gesamte Strahl um die Kante herum gelenkt wird und an der Teekanne nach unten fließt.
„Es konnte nun erstmals eine vollständige theoretische Erklärung dafür geliefert werden, warum sich dieser Tropfen bildet und die Unterseite der Kante immer benetzt bleibt“, sagt Scheichl. Die Mathematik dahinter sei kompliziert – es handle sich um ein Zusammenspiel aus Trägheit, viskosen und kapillaren Kräften.
Teapot ohne Effekt
Die theoretischen Berechnungen wurden schon im September im Fachjournal „Journal of Fluid Mechanics“ publiziert. Das Forschungsteam rund um Scheichl führte nun auch Experimente durch: Mit unterschiedlichen Durchflussraten wurde Wasser aus einer geneigten Teekanne gegossen und mit Spezialkameras gefilmt. So konnte man genau zeigen, wie die Benetzung der Kante unterhalb einer kritischen Ausgussgeschwindigkeit zum „Teapot-Effekt“ führt – die Theorie wurde bestätigt.
Spannend könnten die Ergebnisse auch für Produktdesigner*innen sein: Eine Kanne aus glattem, hydrophoben Material – „Porzellan eignet sich sehr gut“ – mit einem schlanken, längeren Hals mit relativ scharfer Abtropfkante, sei hilfreich, um den „Teapot-Effekt“ zu vermeiden, sagt Scheichl. So einige Tischdecken könnten in Zukunft also verschont werden.