Überraschenden Besuch bekamen unlängst die Bewohner*innen des Karl-Marx-Hofes: Zwei Pferde spazierten durch die Höfe von Wiens größtem Gemeindebau.
Was braucht es, damit Menschen in einer schnell wachsenden Stadt wie Wien gut miteinander leben können? Wie kann der öffentliche Raum neu genutzt werden? Und was kann eine Kunstuni zur Lebensqualität in einem urbanen Sozialsystem beitragen? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich der Studiengang Social Design der Universität für angewandte Kunst in Wien.
Und weil die sozialen Kontakte während der Coronavirus-Pandemie ohnehin gelitten haben, brachten die Student*innen Amanda Sperger und Robert Bettinger kurzerhand zwei Pferde in den Karl-Marx-Hof. Die ungewöhnlichen Besucher lockten zahlreiche Bewohner*innen des Gemeindebaus an: Die Therapiepferde „Avi“ und „Duke“ ließen sich geduldig streicheln – und Nachbar*innen kamen miteinander ins Gespräch.
Die Spuren der Pferde in Wien
„Tiere haben eine positive emotionale Wirkung auf Menschen“, erzählt Brigitte Felderer. Sie leitet das Social Design Studio der Angewandten. „Amanda Sperger und Robert Bettinger konnten mit ihren Recherchen und ihrem Pferdeprojekt zu einem nachbarschaftlichen Austausch beitragen“. Denn auch darum gehe es beim Social Design: Nachbarschaften zu stärken und gemeinschaftliche Prozesse zu fördern.
Pferde seien zudem wichtige Player im städtischen Gefüge. „Die beiden Social Designer*innen haben Wien als eine Stadt der Pferde betrachtet und festgestellt: Gerade Pferde sind bis ins 20. Jahrhundert hinein wesentlich für die Mobilität gewesen.“ In Wien lassen sich die Spuren der Pferde immer noch feststellen: Nicht nur an den Fiakern, sondern genauso an den breiten Torbögen und den ehemaligen Ställen in Hinterhöfen.
Gute Nachbarschaft als Ressource
Den Karl-Marx-Hof, der im Roten Wien als Vorzeigeprojekt für den kommunalen Wohnbau galt, wählten die Student*innen nicht zufällig für ihr Projekt aus. „Das Gemeinwohl, neue Formen leistbaren Wohnens, nachbarschaftliche Prozesse im urbanen Kontext sind wichtige Themen im Studiengang“, so Felderer.
„Wir wollen Strategien erarbeiten, die zu neuen und bisweilen auch alten, aber vergessenen Nutzungen des öffentlichen Raums führen“, so Felderer. Und neben baulichen Strukturen gebe es da eben auch immaterielle Ressourcen wie die Geschichten einer Umgebung und die Beziehungen aller Stadtbewohner*innen zueinander.
Urbanisierung auf dem Land
Social Design beschäftigt sich aber nicht nur mit Städten. Denn auch ländliche Regionen unterliegen Urbanisierungsprozessen. Wenn viele Menschen von der Stadt aufs Land ziehen und in kleinen Ortschaften Co-working-Spaces nachgefragt werden, dann bedeute das einen Impact auf ländliche Räume und die Menschen, die dort leben und arbeiten, so Felderer.
Nicht zuletzt durch die Pandemie, konnte man feststellen, dass viele Menschen nicht an einen physischen Raum gebunden sind – „solange die Internetleitungen gut funktionieren“.