Piranhas kommunizieren in ganz unterschiedlichen Situationen: Um Sexualpartner*innen zu gewinnen etwa, oder wenn andere Mitglieder ihres Schwarms ihnen zu nahe kommen. Und sie geben auch Laute von sich, wenn sie von einem Raubfisch gepackt werden – denn „auch Piranhas leben gefährlich“, sagt Boris Chagnaud, Professor am Institut für Biologie der Uni Graz.
Diese Laute erzeugen die Fische, die vorwiegend in den tropischen Süßgewässern Südamerikas leben, durch die Vibration ihrer Schwimmblase. Ausgelöst werde die Vibration durch die Kontraktion zweier Muskeln, die ursprünglich für das Schwimmen eingesetzt wurden, wie der Neurobiologe erklärt. Die Kommunikation der Piranhas sei vergleichbar mit jener von Katzen, „die schnurren, wenn sie sich wohlfühlen oder miauen, wenn sie Futter wollen“.
Neuronale Netzwerke der Piranhas veränderten sich
Zusammen mit Kolleg*innen der belgischen Universität Liège erforscht Chagnaud, wie sich die Kommunikation der Piranhas entwickelte. Mit Hilfe von Muskelaktivitätsmessungen stellten die Wissenschaftler*innen fest: Das neuronale Netzwerk, das die lautproduzierenden Muskeln durch Signale kontrolliert, diente früher ausschließlich der Fortbewegung.
Im Laufe der Zeit veränderten sich die neuronalen Netzwerke für langsame, wechselweise durchgeführte Muskelkontraktion, zu Netzwerken für eine sehr schnelle, gleichzeitige Anspannung von Muskeln. Und durch diese Veränderung im Aktivitätsmuster der Muskeln können Piranhas heute komplexe akustische Signale erzeugen.
Ähnliche Entwicklung bei Gepard und Faultier
Am Beispiel der Piranhas, die entgegen der landläufigen Meinung trotz ihrer messerscharfen Zähne sehr ängstliche Tiere sind, untersucht Chagnaud wie die Evolution neuronale Netzwerke verändert um neue Verhaltensmuster hervorzubringen. Denn auch bei anderen Tieren findet sich Vergleichbares.
So hätten etwa der Gepard und das Faultier gemein, dass sie auf allen Vieren laufen. Nur: Warum bewegt sich der Gepard extrem schnell und das Faultier extrem langsam? Auch das sei durch eine Veränderung im neuronalen Netzwerk zu erklären, so Chagnaud. Diese habe beim Gepard zu einer sehr schnellen und beim Faultier zu einer sehr langsamen Bewegung geführt. „Durch kleine Veränderungen entsteht Neues.“
„Evolution ist meist reiner Zufall“
Die Evolution sei meist nicht zielgerichtet, sondern reiner Zufall. So konnten etwa irgendwann einige Piranhas durch eine Veränderung im neuronalen Netzwerk auf ihre Schwimmblase trommeln und dadurch mit Sexualpartner*innen kommunizieren.
Weil sie dadurch mehr Nachkommen hatten, setzte sich diese Fähigkeit mit der Zeit durch. Und so sei ein System entstanden, dass heute „total ausgeklügelt“ aussehe, so Chagnaud: „Falls es in 100.000 Jahren noch Piranhas gibt, wird das System aber wieder anders aussehen.“
Univ.-Prof.Dr. Boris Chagnaud forscht am Institut für Biologie der Uni Graz im Bereich Neurobiologie und Verhalten.