Die forensische Linguistik beschäftigt sich mit der Analyse von Postings. Nachrichten oder anderen Texten um anhand des Schreibstils Hinweise auf die Identität der Autorin oder des Autors zu erhalten. In Straffällen können sprachwissenschaftliche Gutachter*innen so die Justiz bei der Suche nach den Täter*innen unterstützen.
Forensische Linguistik hierzulande noch Neuland
Ähnlich wie beim analogen Schreiben haben wir auch im digitalen Raum eine „Handschrift“, die wir beim Schreiben von Nachrichten, Beiträgen und Kommentaren verwenden. Die Art, wie wir Satzzeichen setzen oder die Rechtschreibfehler, die wir machen, können uns dabei verraten. Je nachdem, wie eindeutig diese Hinweise sind (wenn beispielsweise immer derselbe Begriff oder bestimmte Emojis verwendet werden) brauchen Expert*innen mehr oder weniger Textproben, um eine Person zu entlarven.
„Wenn die Texte eines Autors oder einer Autorin spezielle Eigenheiten aufweisen und diese auch im Vergleichstext vorliegen, kann schon eine geringe Textmenge ausreichend sein, um ihn oder sie herauszulesen. Im besten Fall ist es eine Kombination mehrerer, seltener Merkmale“, so die Anglistin Karoline Marko von der Uni Graz. Sie hat sich auf forensische Linguistik spezialisiert.
Digitale Handschrift
Hier in Österreich gibt es noch sehr wenige Wissenschaftler*innen, die im Bereich der forensischen Linguistik forschen. Die Grazer Linguistin Karoline Marko sieht sich für ihre Habilitation Schreibprofile von sechzig Autor*innen über verschiedene soziale Medien (z.B. WhatsApp und Twitter) verteilt an und untersucht, ob sich bestimmte Merkmale herausfiltern lassen, die bei all diesen Medien gleich sind.
Wie eine Person schreibt, kann Hinweise auf wichtige Merkmale wie die soziale und regionale Herkunft, das Alter oder auch das Geschlecht geben. „Es ist sehr wichtig festzuhalten, dass linguistische Analysen am ehesten Aussagen über das soziale Geschlecht, also Gender, treffen können, was nicht immer mit dem biologischen Geschlecht korreliert“, weiß Karoline Marko. „Das stellt natürlich vor allem für die Arbeit in der Praxis eine große Herausforderung dar. Einige forensische Linguist*innen verzichten sogar gänzlich darauf, Aussagen über das Geschlecht einer Person zu machen.“
Aber lassen sich genaue Aussagen zu bestimmten Personen nur aufgrund ihres Schreibstils treffen? „Es gibt keine Indikatoren, die eindeutige Aussagen zulassen“, so die Anglistin Karoline Marko. „Da Sprache sehr komplex ist, können einzelne Merkmale, wie etwa die Verwendung bestimmten Vokabulars, durch unterschiedliche Konstellationen zustande kommen. Aber natürlich können gewisse Merkmale auch bewusst beeinflusst werden.“
Anwendung vor Gericht
Möglich sei es allerdings, zwei Texte zu vergleichen und herauszufinden, ob sie von derselben Person stammen. Doch auch dafür gebe es keine vorher festlegbaren, generellen Indikatoren, abgesehen von allgemeinen Kategorien wie Interpunktion, Satzbau oder Wortwahl. „Im Grunde genommen muss man sich ansehen, was in den Texten vorhanden ist. Der beste Indikator ist nutzlos, wenn er in dem Text, der untersucht werden soll, nicht verwendet wird“, erklärt die Anglistin Karoline Marko.
Die Arbeit der Sprachwissenschaftlerin könnte in Zukunft auch in Österreich vor Gericht relevant werden. Der Textvergleich sei beispielsweise bereits möglich – vorausgesetzt, die Menge und Qualität der Daten reicht dazu aus. Im anglo-amerikanischen Raum kommt die forensische Linguistik bereits in der Praxis zum Einsatz, hierzulande ist man noch nicht ganz so weit.