Die Studierenden haben sich ihr Semester vermutlich anders vorgestellt: Statt im Audimax und im Lesesaal sitzen sie dank Covid-19 am eigenen Schreibtisch. Die Uni Wien hat das zum Anlass für eine Studie zu Home-Learning genommen. Wie geht es den 265.000 Studierenden in Österreich mit dem Lernen daheim?
Stimmung großteils gut
Seit Mitte März 2020 lernen die Studierenden der österreichischen Unis, Fachhochschulen, der pädagogischen und anderen Hochschulen zu Hause. Das bedeutet für viele eine große Umstellung. Psycholog*innen der Uni Wien haben 14.000 von ihnen gefragt, wie es ihnen damit geht. Die Stimmung ist großteils gut: 51 Prozent einer Teilstichprobe davon geben an, sich „oft“ wohl und zuversichtlich zu fühlen. Zehn Prozent der Befragten fühlen sich „sehr oft“ oder „immer“ so.
Sechs Prozent der Befragten geben jedoch an, sich „selten“ bis „nie“ sicher und zuversichtlich zu fühlen. Diese Gruppe berichtet, sich nicht sozial eingebunden zu sein, keinen ruhigen Arbeitsplatz zu haben oder beim Home-Learning mit technischen Einschränkungen konfrontiert zu sein. Letzteres ist wenig überraschend, da Home-Learning fast ausschließlich E-Learning bedeutet.
Virtuelle Lerngruppen helfen
Wer gut mit der technischen Seite des Home-Learnings zurecht kommt, schafft es auch eher, mit Professor*innen und Kolleg*innen in Kontakt zu bleiben und fühlt sich dadurch gut unterstützt, schreiben die Studienautor*innen. „Unsere Daten zeigen, dass sich Studierende in der neuen Situation wohler und zugleich kompetenter fühlen, wenn sie auch sozial eingebunden sind“, so der Studienautor Marko Lüftenegger.
Der Psychologe empfiehlt Studierenden, die Probleme mit dem Home-Learning haben, in Onlineforen oder in Facebook-Gruppen Kontakte zu knüpfen: „Studien zu Distance Learning und meine eigene über 10-jährige Lehrerfahrung an der Fern-Fachhochschule zeigen, dass formell eingesetzte Lerngruppen einer der wichtigsten Faktoren sind, um in schwierigen Situationen – dazu würde ich auch die jetzige Corona Krise zählen – durchzuhalten und nicht aufzugeben.“
Home-Learning verlangt nach bestimmten Fähigkeiten
Im besten Fall eignen sich Studierende in der Zeit des Home-Learnings nicht nur den Lernstoff, sondern auch ein paar andere wertvolle Fähigkeiten an. Beispielsweise Eigenständigkeit und Organisation. Das bereitet sie auch auf einen der schwersten Teile ihres Studiums vor: die Abschlussarbeit.
„Es zeigt sich in den Studienergebnissen, dass sehr viele Studierende fähig sind, ihr Lernen selbst zu organisieren: Sie erstellen Lernpläne, stecken sich Ziele und überlegen, wie sie diese erreichen können“, sagt der Psychologe Marko Lüftenegger. „Wenn diese Kompetenz zur Selbstorganisation auch über COVID-19 hinaus erhalten bliebe, wäre das wohl viel wichtiger als Detailwissen zu einem bestimmten Thema, das ohnehin rasch vergessen wird.“
Die Krise bietet Forscher*innen wie Lüftenegger eine vielleicht einmalige Chance: In Echtzeit zu erforschen, wie sich eine Pandemie auf die Gesellschaft auswirkt. Die Ergebnisse der Untersuchungen der Uni Wien werden laufend auf dem CORONA-Blog veröffentlicht.