Stickstoff ist mit 78 Prozent der größte Bestandteil der Luft, die wir atmen. In der Landwirtschaft ist Stickstoff allerdings ein wichtiger Teil von Düngemitteln, was eine Reihe an Problemen mit sich bringt. Eine neu entdeckte Bakterien-Art soll nun helfen, den Überfluss an Stickstoff umweltverträglicher abzubauen.
Todeszonen im Meer
Stickstoff-Verbindungen wie Ammonium, Nitrit und Nitrat fügen der Umwelt großen Schaden zu. Die Hauptverursacherin für diesen Schaden ist die Landwirtschaft, denn Stickstoff steckt in vielen synthetischen Düngern sowie in Gülle. Starke Veränderungen der Umwelt aufgrund dessen lassen sich vor allem in Gewässern beobachten. In Seen, Flüssen und im Meer kommt es zur Massenvermehrung von Algen, Sauerstoffmangel und dadurch zum Absterben von Wasserlebewesen. „Das geht so weit, dass in Teilen der Ozeane Todeszonen entstehen, wo aufgrund des Sauerstoffmangels höheres Leben kaum noch möglich ist“, so Holger Daims von der Abteilung für Mikrobielle Ökologie der Uni Wien.
Auch an Land kommt es bereits zu einer Reduktion der Artenvielfalt, was weitrechende Folgen auf Ökosysteme hat. „Möglicherweise noch dramatischer als das ist der – mit bloßem Auge – unsichtbare Teil des Stickstoff-Kreislaufs“, meint Daims. Denn Stickstoff-Verbindungen werden von Mikroorganismen umgewandelt, wobei Gase freiwerden, die den Treibhauseffekt vorantreiben. Ein Beispiel dafür ist Lachgas, dessen alleiniger Anteil am Treibhauseffekt zwischen sechs und neun Prozent liegt. Zudem ist Lachgas von allen Substanzen die, die die Ozonschicht am stärksten angreift.
Die Comammox-Bakterie
Comammox heißt die Bakterie, die ForscherInnen Hoffnung gibt. Sie könnte zukünftig in Böden sowie in Kläranlagen dabei helfen, umweltschädliche Stickstoff-Verbindungen so abzubauen, dass dabei weniger Treibhausgasemissionen entstehen. Erst 2015 wurde sie in heißem Grundwasser und in Aquakultur-Filtern entdeckt. Nun wurde bestätigt, dass sie auch in Böden, Flüssen, Seen und Kläranlagen weit verbreitet ist.
Der Prozess, bei dem Stickstoff im Boden abgebaut wird, heißt Nitrifikation. Er ist ein natürlicher Prozess der sich nicht aufhalten lässt. Aber er ließe sich mit Comammox möglicherweise verändern, sagt der Forscher: „Würde es gelingen, Comammox-Bakterien gegenüber anderen Nitrifikanten zu fördern, könnte dies zu geringeren Lachgas-Emissionen führen.“ Und das wäre ein großer Schritt zur Verlangsamung des Klimawandels, denn Lachgas wirkt als Treibhausgas etwa 300-Mal stärker als CO2.
Massentierhaltung auch verantwortlich
Schuld am Stickstoff-Überschuss ist Großteils der Mensch. „Ohne unser Zutun gäbe es in vielen Lebensräumen weniger als die Hälfte des heute dort vorhandenen Stickstoffs“, erklärt Daims. „Viele Lebensräume sind schon zerstört und verschwundene Arten könnten unwiederbringlich verloren sein. Gegenmaßnahmen sind überfällig und wir haben auch keine andere Wahl, wenn wir in Zukunft in einer halbwegs intakten Umwelt leben wollen.“
Am meisten trage die Landwirtschaft dazu bei. „Besonders stark sind die Auswirkungen in Regionen, wo intensive, industrialisierte Landwirtschaft und Massentierhaltung betrieben werden. Es werden ja nicht nur unsere eigenen Nahrungspflanzen mit Stickstoff gedüngt, sondern auch die Futterpflanzen für die Tiere.“ Zudem führt die Massentierhaltung von Wiederkäuern dazu, dass viel Methan emittiert wird, das nach CO2 das Gas ist, das den Treibhauseffekt am stärksten antreibt.
Kann Comammox alleine helfen?
Comammox-Bakterien sind sowohl für die Landwirtschaft als auch für die Abwasserreinigung interessant, da auch Abwasser Stickstoff-Verbindungen enthält, die in vielen nicht-industrialisierten Ländern eine große Umweltbelastung darstellen. „Dafür müssen wir aber zuerst herausfinden, welche Umweltbedingungen Comammox einen Vorteil verschaffen und ob sich daraus gezielte Maßnahmen in der Landwirtschaft ableiten lassen“, erklärt der Experte.
Die Landwirtschaft verursacht etwa 25 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen, der Flugverkehr nur zwei Prozent der CO2-Emissionen. Um die Landwirtschaft in diesem Bereich beispielsweise durch Subventionen positiv zu beeinflussen, seien politische Maßnahmen notwendig, so Daims: „Es bleibt zu hoffen, dass die neue österreichische Regierung die Chance nutzt, diese Maßnahmen voranzutreiben und auch auf europäischer Ebene zu unterstützen.“