Die Erderwärmung und die damit einhergehenden Folgen machen sich auch in den Alpen bemerkbar. Grazer Forscher haben untersucht, wie die Zukunft der vergleichsweise niedrigen Berge der Silikat- und Kalkalpen aussehen könnte.
Lebensraum migriert
Die Biologen Patrick Schwager und Christian Berg von der Uni Graz haben anhand von Klimamodellen untersucht, wie sich der Lebensraum in den steirischen Silikat- und Kalkalpen verändert, wenn die vorausgesagte Erderwärmung von zwei bzw. vier Grad Celsius eintritt. Beide Temperaturanstiege sind realistische Szenarien.
Der Lebensraum in den Silikat- und Kalkalpen von höheren Temperaturen besonders betroffen sein, da es sich um relativ niedrige Berge handelt, die keine Gletscher aufweisen. Wird es den Arten in diesen Lebensräumen zu warm, können sie nur begrenzt in den kühleren Norden migrieren. Bei einer Erwärmung von 2,5°C würde der Kalkrasen in den Alpen um 60 Prozent abnehmen, der Silikatrasen um 85 Prozent. Bei einer Erhöhung von 4°C könnte sich der Lebensraum bis zum Jahr 2100 sogar um 95 Prozent verringern.
Folgt ein Artensterben in den Alpen?
Doch damit könnte es nicht getan sein: Die fortschreitende Erderwärmung kann zum sogenannten Tipping Point führen, ab dem die wärmeren Temperaturen eine Kettenreaktion auslösen, die den Klimawandel immer schneller vorantreiben. KlimaforscherInnen gehen davon aus, dass dann beispielsweise das Eis der Polkappen so weit schmilzt, dass darunter gelagerte Gasvorkommen frei werden und den Treibhauseffekt noch weiter verstärken.
In keinem der von Schwager und Berg getesteten Modelle findet ein komplettes Aussterben der Arten statt. „Organismen haben eine gewisse physiologische Bandbreite, innerhalb derer sie existieren können. Intakte biologische Systeme können dadurch auch ungünstige Zeiten überdauern“, erklärt Schwager. Mit dem Sterben einzelner Arten wird jedoch das gesamte Ökosystem instabiler. Denn je weniger Arten existieren, desto weniger können die Funktion einer anderen Art übernehmen, sollte diese Aussterben.
Weniger menschlicher Eingriff nötig
Sollten Menschen ihre Emissionen verringern, würde der Rückgang des Lebensraums im Modell auf jeden Fall verlangsamt. Aber lassen sich die Veränderungen gar nicht mehr stoppen? „Das ist schwer zu sagen, da biologische Systeme sehr träge reagieren. Was wir heute erleben, hat seine Ursachen schon in der Vergangenheit, Emissionen von heute werden erst in der Zukunft wirksam“, weiß Schwager.
Der Rückgang des alpinen Lebensraums hat auch negative Auswirkungen auf den Menschen. Das Ökosystem in diesen Höhen der Alpen leistet viel. Es stabilisiert den Boden, speichert Wasser und ist zuletzt auch eine große Tourismus-Treibkraft. Wichtig ist nun, dass der Mensch nicht negativ in den Lebensraum der Alpen eingreift. „In diesem Fall können Refugien und Korridore zerstört werden und isolierte Populationen entstehen, deren Überlebenschancen viel geringer sind“, warnt Schwager. Das betrifft auch den Ausbau von Skigebieten – wie beispielsweise den Fall des Kitzbüheler Schneebands, der derzeit stark diskutiert wird.