Um aber zu wissen, dass Gletscher überhaupt schmelzen, muss man fragen: Wie viel Eis gibt es eigentlich auf der Erde? Was nach der Frage eines Kindes klingt, beschäftigt WissenschaftlerInnen auf der ganzen Welt. Ihr Ergebnis: Den neuesten Schätzungen zufolge gibt es sogar noch weniger Eis auf der Welt, als bisher angenommen wurde.
Warum schmelzen die Gletscher?
Das Eis, das wir in Form von Gletschern auf Bergen kennen, wird immer weniger. Woran das liegt? „Gletscher stehen im direkten Zusammenhang mit dem Klima“, erklärt Maussion. Die Erde erwärmt sich immer weiter und selbst Jahrtausende alte Gletscher bleiben davon nicht unberührt.
„Erholen“ können sich Gletscher vom Klimawandel nicht. Die einzige Möglichkeit, das Schmelzen zu stoppen, wäre, wenn sich die Erde wieder abkühlen und genug fester Niederschlag fallen würde. Doch, so der Klimaforscher: „Bis jetzt gibt es keine einzige Studie, die das für die Zukunft vorhersagt.“
Und wenn der Klimawandel gestoppt wird und ab sofort keine Emissionen mehr ausgestoßen werden? „Trotzdem würde es zum Rückgang der Gletscher kommen, weil sie sehr langsam reagieren“, so Maussion. Es ist den Gletschern nämlich schon sehr lange viel zu warm, nur schmelzen sie nicht sofort, sondern über viele Jahre hinweg.
Bergabgänge und Schäden für die Landwirtschaft
Dort, wo Gletscher Flüsse speisen, die später ins Meer fließen, ist die Gletscherschmelze neben der thermischen Ausdehnung der Hauptgrund dafür, dass der Meeresspiegel ansteigt. Die Alpen in Österreich tragen also wenig zum Anstieg des Meeresspiegels bei, allerdings haben die schmelzenden Eismassen hier andere Auswirkungen auf die Umwelt.
„Gletscher waren ein stabiles Element der Landschaft, und wenn die zurückgehen, sind die Berge instabil. Es kommt also zum Beispiel zu Bergabgänge“, erklärt Maussion. „Das wissen Alpinisten sehr gut, dass manche Routen jetzt nicht mehr begehbar sind, seit die Gletscher und der Permafrost schmelzen.“
Auch die Landwirtschaft in den Tälern ist von der Schmelze betroffen: „Es ist zu erwarten, dass es im Frühling mehr Wasser geben wird, dafür aber weniger im Sommer“, so Maussion. Dadurch fehlt das Wasser dann, wenn es die Landwirtschaft am dringendsten benötigt. Allerdings betrifft dass die Alpentäler nicht so stark wie andere Orte, denn hier gibt es grundsätzlich auch im Sommer genug Niederschlag.
In anderen Gegenden hat die Schmelze allerdings verheerende Auswirkungen auf die Landwirtschaft, beispielsweise in Peru. Dort gibt es im Jahr eine trockene und eine regenreiche Phase. Dadurch, dass die Gletscher aufgrund der Wärme früher anfangen zu schmelzen, fehlt der Landwirtschaft dort in der heißen Phase das Wasser.
Wie berechnet man das Eisvolumen?
Fabien Maussion von der Uni Innsbruck hat in einer internationalen Kollaboration unter WissenschaftlerInnen an der neuesten Schätzung der Eismassen mitgewirkt. Ausgeschlossen von ihrer Berechnung haben die ForscherInnen die Eismassen Grönlands und der Arktis.
Wichtig ist zu wissen, dass das Gesamtvolumen der Gletscher nicht wirklich gemessen oder berechnet werden kann. Allerdings werden die Schätzungen immer genauer. „Die Eisoberfläche kennen wir ja, aber was eigentlich darunter liegt ist noch sehr unbekannt und schwierig zu messen“, sagt Maussion.
Bevor es die für eine Schätzung heute verwendeten Radargeräte gab, hat man schlicht ins Eis gebohrt, um die Dicke zu messen. Diese Messung ist allerdings nicht bei allen Gletschern möglich.
Deshalb werden zur Messung auch Satellitenbilder verwendet, anhand derer die Dicke geschätzt werden kann. Dazu muss man einiges über die Physik des Eises wissen, zum Beispiel: „Da, wo ein Gletscher flach ist, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass das Eis dicker ist als an einer steilen Stelle. Weil Eis fließt langsamer, dort, wo es flach ist“, so Maussion. Aufgrund der aktualisierten Dateninventaren wurde die aktuelle Eismasse von mehr als 200.000 Gletschern auf insgesamt 158.000 Kubikkilometer geschätzt, Tendenz abnehmend.
Die verwendeten Datensätze sind öffentlich zugänglich und hier einsehbar.
Titelbild: De schmelzenden Gletscher des Himalaya in Bhutan. Coypright: Public Domain. Foto: NASA.