Verschiedene Projekte versuchen, den Waldrapp im Süden Europas anzusiedeln, wo er bessere Überlebenschancen hat. Die Konrad-Lorenz-Forschungsstelle der Uni Wien leistet mit ihrer Grundlagenforschung über den Waldrapp einen wichtigen Beitrag dazu.
Zu viel Fliegen ist schlecht für den Bruterfolg
Der Waldrapp ist in Österreich eigentlich nicht mehr heimisch. Vor 400 Jahren sah das noch anders aus. Aus Mitteleuropa gibt es Überlieferungen von Waldrapp-Rezepten, deswegen geht man davon aus, dass der Vogel hier früher gejagt wurde. Eine andere mögliche Erklärung für sein Aussterben ist das Klima: Vor 400 Jahren war es in Mitteleuropa noch um einiges wärmer. Mit dem immer kälter werdenden Klima in Mitteleuropa starb der Vogel bei uns aus. Teilweise ist er in den Süden migriert.
Dort geht es ihm aber nicht unbedingt besser. In Marokko, wo er frei lebt, ist es ihm eigentlich zu trocken. Der Waldrapp lebt dort in großen Gruppen auf Sandsteinklippen. Um in Wiesen nach Schnecken und Würmern zu picken, muss er jedoch seinen Brutplatz verlassen. „Durch das ständige hin- und herfliegen ist der Bruterfolg dort nicht so groß”, erklärt Verena Pühringer-Sturmayr von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle. „Allerdings wurde ihnen in den letzten Jahren Wasser zur Verfügung gestellt, wodurch sich der Bruterfolg erhöht hat.“
Überwintern will gelernt sein
Die Konrad-Lorenz-Forschungsstelle betreibt kein Wiederansiedlungsprojekt für Waldrappe, die Tiere könnten hier nämlich wegen der kalten Winter nicht alleine überleben. „Sie müssten eigentlich in den Süden ziehen, um zu überleben, aber das tun unsere nicht, weil sie es nie gelernt haben”, sagt Pühringer-Sturmayr über ihre 35 Tiere umfassende Kolonie.
Doch es gibt Lösungsansätze. Um den Waldrappen den Zug in den Süden wieder beizubringen, fliegt das Waldrapp-Team, das Kolonien in Salzburg und Bayern hat, junge Waldrappe mit einem Ultraleichtflugzeug nach Italien. „Die idee dahinter ist die, dass die Jungen dort bleiben, bis sie geschlechtsreif sind”, erklärt Pühringer-Sturmayr. Zum Brüten sollen sie dann wieder zu ihren Brutstandorten in Mitteleuropa zurückkehren. Von dort aus sollen sie ihren Jungen den Weg in den Süden zeigen.
Gerechte Arbeitsteilung bei der Aufzucht
Der Waldrapp ist ein sehr soziales Tier. Gibt es zu wenige Tiere in seiner Kolonie, vergeht ihm auch die Lust an der Fortpflanzung. Um sich einem Weibchen zu nähern, „begrüßt” der Waldrapp es. Er wirft den Kopf in den Nacken und wieder nach vorne, dazu macht er einen „Tschrupp”-Laut. „Reagiert das Weibchen darauf, kraulen sie sich gegenseitig und bringen sich Geschenke für das Nest, zum Beispiel Stöcke oder Stroh”, sagt Pühringer-Sturmayr. „Wenn sie beschlossen haben, dass sie zusammenbleiben, beginnt die Kopulation.”
Es dauert etwa zwei Monate, bis die Eier ausgebrütet sind. In dieser Zeit teilen sich Männchen und Weibchen die Arbeit: „Es ist immer ein Partner im Nest und der andere ist auf Futtersuche”, so Pühringer-Sturmayr. Das ist einerseits ein großer Vorteil, weil die Eier dann immer beschützt werden. Allerdings kommen Männchen meist nicht unbeschadet durch die Vaterschaft.
Die gestressten Väter
„Männchen sind generell gestresster als Weibchen. Dadurch ist ihr Immunsystem geschwächt und sie bekommen leichter Parasiten”, erklärt Pühringer-Sturmayr. Man vermutet, dass das daran liegt, dass Männchen den Weibchen mehr Nettigkeiten oder auch „social support” entgegenbringen. Es ist gar nicht so leicht, ein aufopfernder Vater und Brutpartner zu sein.
Tödlich sind die Parasiten, die den Darm der Väter befallen, nur in sehr großer Anzahl. Das ist jedoch nur selten der Fall. Außerdem können sich die Vögelväter zwischen den Brutsaisonen erholen. Nachdem die Jungen geschlüpft sind, dauert es 1,5 Monate, bis sie flügge werden. Zwei Wochen lang kümmern sich die Eltern dann noch um ihre Jungen, danach können sie sich entspannen, bis die Paarungszeit wieder beginnt. War der Bruterfolg in einer Saison groß, kann es auch sein, dass ein Paar für mehrere Saisonen zusammenbleibt. Wer sich also Mühe in der Partnerschaft gibt, hat auch länger was davon.