Auf Instagram sind 40 Milliarden Bilder zu finden. Die App beschränkt digitale Kommunikation fast vollkommen auf das Visuelle. Auch in Berufen sind visuelle Fähigkeiten immer mehr gefragt. Das soll auch bald der Lehrplan in Schulen wiederspiegeln.
Schon 8-Jährige täglich online
Laut einer Studie sind 76 Prozent der Acht- bis Neunjährigen täglich im Internet. Ab etwa zwölf Jahren werdenderzeit soziale Netzwerke für Kinder interessant. Facebook ist in der westlichen Welt immer noch das beliebteste soziale Netzwerk, bei den jüngsten Usern boomt allerdings Instagram. Die App hat in Österreich 840 Tausend Nutzer, 30 Prozent davon sind zwischen 13 und 19 Jahren alt, damit sind sie die zweitgrößte Altersgruppe nach den 20-bis-29-Jährigen. Snapchat, ebenfalls eine App, die hauptsächlich zur visuellen Kommunikation genutzt wird, verzeichnet weltweit 200 Millionen Nutzer.
Die digitale Welt hat aber auch schon lange im Berufsleben Einzug gehalten. Wer über E-Mails und andere Dokumente kommuniziert, muss dabei immer bedenken, dass auch die Optik zählt. Newsletter, Infografiken, Blog-Posts, Präsentationen: All das muss optisch ansprechend gestaltet werden. „Das hat sich in den letzten zehn, zwanzig, dreißig jahren heimlich zu einer Kulturtechnik entwickelt ”, meint Franz Billmayer vom Mozarteum Salzburg. „Das ist in der Schule noch gar nicht so richtig angekommen.” Er engagiert sich deswegen im European Network for Visual Literacy (ENViL-Netzwerk), das zusammen einen neuen Referenzrahmen für den Unterricht in bildnerischer Erziehung erstellt hat. Dieser Rahmen enthält Vorschläge für Änderungen am BE-Unterricht und soll Lehrern als Leitfaden dienen.
Keine Profis gesucht
Auch abseits sozialer Netzwerke passiert im Bereich visuelle Komeptenzen einiges. Zum Beispiel ist der Beruf des Fotografen in Österreich seit ein paar Jahren nicht mehr geschützt, es gibt ihn also nicht mehr als Lehre. Die Begründung: Mit den modernen Kameras, die automatisch scharf stellen und Farben richtig erkennen, könne ja jeder gute Fotos schießen. Das liegt gar nicht so fern, wenn man bedenkt, dass man sich auf Instagram schnell wie ein kleiner Profi fühlt, wenn man nur den richtigen Filter verwendet.
„Es kommt also in dem Bereich zu einer sogenannten Deprofessionalisierung”, sagt Billmayer. Genauso sieht es auch in anderen Bereichen aus. Denn mit Word und ähnlichen Programmen kann praktisch jeder seine Arbeiten visuell gestalten. Man kann zwischen Hunderten von Schriftarten und Formatierungen auswählen, Grafiken einbauen oder auch nicht. Bevor es solche Programme gab, haben das meist Profis erledigt, jetzt werden diese Fähigkeiten in vielen Berufen, die nicht unbedingt mit visueller Gestaltung zu tun haben, vorausgesetzt. „Das bedeutet allerdings auch, dass jeder das können muss”, meint Billmayer.
Oft kommt es auch gar nicht so sehr auf den Inhalt an, die visuelle Komponente zählt häufig mehr für die Kommunikation. „Es gibt Untersuchungen, die sagen, dass Forschungsanträge, die gut bebildert und visuell aufbereitet sind, größere Chancen auf Förderung haben als andere”, sagt Billmayer. Wer also als Amateur visuelle Kommunikation nicht einfach im Gefühl hat, hat es später im Berufsleben schwer.
Bildnerische Erziehung 2.0
Am Unterricht soll sich mit dem Referenzrahmen einiges ändern. Das Ziel ist anwendungsorientiertes Lernen. Schüler sollen nicht mehr nur die Theorie lernen und sie nachmachen, sondern das gelernte auch nutzen können, um eigenständig Probleme zu lösen. „Visual Literacy“ nennt sich das.
So in etwa könnte Bildnerische Erziehung dann aussehen: „Im Unterricht wird oft verlangt, Stilleben abzuzeichnen, zum Beispiel einen Apfel”, erklärt Billmayer. “Beim kompetenzorientierten Lernen würde man aber nicht nur sagen: ‚Zeichne den Apfel ab‘. Sondern, ‚Zeichne ihn so ab, dass das Bild in ein Apfelbestimmungsbuch passt‘. Oder so, dass er auf eine Apfelsaftverpackung passen könnte, die Kinder anspricht.” Das Kind wird so nicht nur zum Lernen, sondern auch zum Experimentieren angeregt.
Zur Visual Literacy gehört außerdem, dass Kinder verstehen lernen, warum sie etwas grafisch auf eine bestimmte Art und Weise lösen. „Erstens lernen sie so, dass es immer auch Alternativen zur Lösung einer Aufgabe, die vielleicht besser sind oder etwas anderes bedeuten. Zweitens können sie dann auch kompetent kommunizieren, warum sie sich für diese Lösung und nicht für eine andere entschieden haben”, erklärt Billmayer. Dieser Referenzrahmen helfe schon einigen BE-Lehrern bei der Gestaltung des Lehrplans. Vor allem in Deutschland und in der Schweiz sei man engagiert, in Österreich gebe es da noch Aufholbedarf.