Kollaborative Robotik, kurz MRK, ist ein Forschungsgebiet, das sich dem Zusammenwirken zwischen Mensch und Maschine im Arbeitsfeld widmet. In dieser Disziplin geht es darum, Zäune niederzureißen, nämlich jene, die Menschen in der industriellen Produktion von den Maschinen zu ihrem eigenen Schutz trennen sollen. In der Pilotfabrik der TU Wien werden im Rahmen des Projekts „Industrie 4.0“ Erfahrungswerte gesammelt.
Mensch-Roboter-Kollaboration auf dem Prüfstand
Je nach Blickwinkel sind Maschinen vieles: Die Lösung all unserer Probleme, die drohende Apokalypse, Konkurrenz am Arbeitsplatz oder Erleichterung im alltäglichen Leben. Ungeachtet der Perspektive ist die Innovation im Bereich Robotik unweigerlich auf dem Vormarsch. Maschinen gewinnen täglich neue potenzielle Einsatzgebiete, werden laufend smarter.
Am Arbeitsplatz bedeuten Maschinen vor allem Erleichterung. Sie heben die schwersten Lasten, erledigen die monotonsten Aufgaben – und das ohne Frustrationserscheinungen; sie arbeiten präzise, werden nicht erschöpft und brauchen keine Pause. Diese ‚idealen‘ Arbeiter sind programmiert, um genau einen Prozess zu erledigen, und bieten abseits von diesem kaum einen Nutzen; Mehr noch bergen sie mit ihrer übermenschlichen Kraft auch eine Gefahr für jene in ihrer Umgebung.
Die Zukunft der Roboter – und so wird sie auch in den meisten Science Fiction Szenarien skizziert – soll jedoch eine flexiblere sein. Mensch und Roboter sollen Seite an Seite arbeiten, um übermenschliche Kräfte mit menschlicher Flexibilität und spontaner Reaktionsfähigkeit zu kombinieren. Auch die technische Universität Wien in Zusammenarbeit mit dem TÜV Austria beteiligt sich an der Forschung rund um Kollege Roboter. Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) nennt sich das Spezialgebiet, welches von TÜV Austria und Fraunhofer unter dem Banner der „Industrie 4.0“ erforscht wird.
Der Zaun fällt
Simpel gesagt geht es darum, die Zusammenarbeit zwischen Werker und Roboter in der Produktion zu verbessern und eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass „der Zaun zwischen Roboter und Mensch fällt“, wie Innovationsmanager DI Christoph Schwald von TÜV Austria es ausdrückt.
„Der Roboter kann einen Teil nehmen, in Position bringen und der Werker führt einen hochwertigen Vorgang durch, den ein Roboter nicht in dieser Genauigkeit bewerkstelligen kann wie z. B. eine knifflige Bewegungsabfolge oder eine Qualitätsüberprüfung. Der Roboter entlastet dadurch den Menschen in dem er ergonomisch ungünstige Vorgänge durchführen kann, wodurch auch ältere erfahrene ArbeitnehmerInnen länger Tätigkeiten in der Industrie nachgehen können.“
Im Fokus des TÜV-Teams steht dabei die Sicherheit für den Arbeiter. Um Sicherheit ohne räumliche Trennung zu gewährleisten bedarf es neuer Sicherheitsprotokolle für die Roboter. Die Sensorik und Aktorik jener ist beispielsweise soweit entwickelt, dass Roboter bei einem Zu-nahe-Kommen mit Menschen dies sofort erkennen und beim Erreichen einer bestimmten Druckausübung sofort abstoppen.
Die „dummen“ großen Roboter werden laut Schwald aber nicht von ihren kleineren, smarteren Brüdern abgelöst werden, denn das Einsatzgebiet der kollaborativen Roboter liegt mehr im Bereich Montage als am Fließband.
Angst vor dem Super-DAU?
Wenn es um Sicherheitskonzepte geht, müssen diese nicht nur für alle Situationen, sondern auch alle Personen anwendbar sein und somit neue Konzepte auch für den uncharmant betitelten „Dümmsten Anzunehmenden User“ konzipiert werden.
Diese Universalität ist eine der großen Herausforderungen im Bereich der MRK, wie uns Schwald erklärt: „Produktionszellen sind heute bereits mit einer Vielzahl an Sicherheitsbestimmungen versehen und durch die MRK kommen noch einige neue dazu.“
Man muss in der MRK-Forschung also nicht nur an Sicherheit aus Perspektive der Maschine, sondern auch aus der Sicht des Menschen denken. Die Sicherheitsbestimmungen müssen so ausgelegt sein, dass auch bei „Konzentrations- oder Bedienfehlern – jeder hat mal einen schlechten Tag – nichts passieren kann.“
Industrie 4.0: Das Netz und seine Tücken
Auf motorischer Ebene wird Sicherheit durch präzise Messung von Daten, zentraler Steuerung und genauer sensorischer Überwachung erzielt. „MRK gehört definitiv zu Industrie 4.0 und der vernetzten Produktion“, erklärt Schwald und schneidet damit das Sicherheitsrisiko von außen an: „Cybersecurity ist ein großes Thema. Aus TÜV Austria Sicht ist ein MRK System nur dann sicher, wenn sowohl die Sicherheit der Maschine (Safety) selbst als auch jene der IT (Security) gewährleistet ist.“
Wo auch immer Lösungen durch Vernetzung gefunden werden, besteht die Gefahr einer Manipulation von Außen, welche den vermeintlichen „Kollegen Roboter“ zur potenziellen Bedrohung werden lässt. Integrierte „Safety“ ist im Bereich der MRK nicht mehr von „Security“ nach außen zu trennen.
Wenn auch noch nicht alle Sicherheitsfragen geklärt sind, steht der Einzug von kollaborativer Robotik in die moderne Industrie außer Frage. Es bestehe eine Nachfrage nach flexibler Produktion bis hin zur Losgröße 1 um den individuellen Wünschen und Ansprüchen von Kunden gerecht zu werden und der kollaborative Roboter könne jener eben deutlich zielgerechter nachkommen als ein auf Hochleistung getrimmter aber unflexibler Industrieroboter.
Pilotfabrik
TÜV AUSTRIA versteht sich als Wegbereiter für neue Technologie und setzt sich zum Ziel diese sicher machen: In der Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) gibt es eine Reihe von Sicherheitsthemen die es gründlich zu untersuchen gilt damit MRK von der Industrie breit akzeptiert werden kann.
Auto: Stefan Schallert