Schörner forscht am Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien. Er interessiert sich für den kleinen Mann und die kleine Frau, genauer gesagt für die einfachen Landleute der Antike: Dreiviertel der Menschen lebten in einfachen Verhältnissen auf dem Land, fernab der großen Städte, die Archäologen überwiegend als Grabungsorte dienen.
Schörner hingegen legt den Fokus des FWF-Projekts „Historische Landnutzung und Landschaftswandel in der Dekapolis-Region„ auf das ländliche Leben und zwar auf das in Jordanien. Er will wissen, zu welcher Zeit und in welcher Form der Boden in einer der trockensten Regionen der Welt wie genutzt wurde. Die Antworten findet er in Überresten antiken Mülls auf den Feldern.
Eine verbreitete These geht davon aus, dass falsche Landnutzung dazu geführt hat, dass die Region heute weitestgehend aus unfruchtbarem Land besteht. Schörner und KollegInnen, v. a. BodenkundlerInnen wollen das widerlegen, sie machen Klimakatastrophen und –veränderungen dafür verantwortlich.
Um das zu untermauern, erforschen er und sein Team nun das Ausmaß und die Art der Landnutzung seit der Bronzezeit. Die Dekapolis-Region, genauer gesagt die Areale rund um die drei Städte Gadara, Abila und Umm Al-Jimal, dienten dabei als Forschungsstätten. Umm Al-Jimal bedeutet „die Mutter der Kamele“ und deutet auf die Tradition der Nomaden hin, die noch heute in der Region umherziehen und spontane Landwirtschaft betreiben – also kurzzeitig Felder bewirtschaften, ernten und dann weiterziehen.
Landwirtschaftliche Nutzung der Böden schon in der Antike
Wie lässt sich nun aus Jahrtausende altem Müll ableiten, in welcher Form der Boden genutzt wurde? „Die Überreste, die wir finden, sind Scherben von Töpfen und Krügen, die Bauern damals auf ihre Felder streuten – und zwar versehentlich“, erklärt Schörner. Die Scherben mischten sich unter den organischen Mist, den die Menschen zum Düngen auf ihre Felder streuten, wenn sie beispielsweise Weizen anbauten. Dies zeugt also von einer landwirtschaftlichen Nutzung des Bodens schon in der Antike.
Da die Keramikscherben im Gegensatz zu den organischen Überresten nicht verrotten blieben sie also bis heute auf den ehemaligen Feldern zurück – wo sie Schörner und sein Team nun aufsammelten.
Landwirtschaften bei extremer Trockenheit
Nach dem Abgleich mit bereits datiertem Material kann festgestellt werden, zu welcher Zeit besonders viel Scherben und damit auch Dung auf die Felder gestreut wurde. Je mehr Scherben einem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden können, desto intensiver wurde zu dieser Zeit also Landwirtschaft betrieben, da vermehrt Dung verwendet wurde. Daraus kann auch geschlossen werden, wie hoch die Dichte der auf dem Land lebenden Bevölkerung zu bestimmten Zeiträumen war.
Und wie datiert man Jahrtausend alten Müll datiert? „Hier stützt man sich auf den Vergleich mit anderen Funden, beispielsweise Keramikteilchen aus Städten, die bereits einem konkreten Zeitraum zugeordnet werden konnten“, erklärt Schörner. Diesen Abgleich führt unter anderem die Archäologin Nora-Miriam Voss die an der Universität Wien zu diesem Thema ihre Dissertation schreibt.
48 000 Scherben nach Wien geflogen
Bei den Grabungen in der Region arbeiteten Fachleute aus den Bereichen Klassische Archäologie, Geographie und Islamwissenschaft aus sechs verschiedenen Ländern zusammen. Studierende sowie ExpertInnen sind bis heute damit beschäftigt, die Funde zu datieren und auszuwerten.
Insgesamt drei Mal zog das Team in die Dekapolis-Region. Die Feldforschungen verliefen reibungslos und erfolgreich: Insgesamt 48.000 Keramikscherben wurden gesammelt, beschriftet und per Flugzeug nach Wien verfrachtet, wo sie nun in den Kellerräumen des Instituts für Klassische Archäologie lagern.
Dieser Umstand ist der jordanischen Antikenbehörde geschuldet, die die Ausfuhr solcher Fundstücke im Gegensatz zu anderen Ländern erlaubt. Nun warten die Scherben darauf, kategorisiert und weiter untersucht zu werden.
Wo heute Trockenheit herrscht, war einst fruchtbarer Boden
Nur knapp 150 mm Niederschlag pro Jahr misst man in Umm Al-Jimal – zu wenig, um dort beispielsweise Weizen anzubauen (zum Vergleich: Bei den extremen Regenfluten vor wenigen Wochen in Bayern und Oberösterreich vielen bis zu 175 mm Regen – pro Stunde). Dementsprechend grübelten die Menschen schon in römischer Zeit darüber, wie sie kostbares Regenwasser speichern konnten, und bauten die ersten Zisternen und Kanalsysteme.
Aus den bisherigen Funden von Prof. Schörner und seinem Team geht hervor, dass das Land bereits seit dem 1. Jh. v. Chr. von Menschen landwirtschaftlich genutzt wurde. „Das Material, das wir bereits datieren konnten, stammt überwiegend aus dem 3.–7. Jh. n. Chr., was auf eine intensive Landnutzung in diesem Zeitraum hindeutet. Einige Scherben sind aber auch deutlich früher beziehungsweise später zu kategorisieren“, erklärt Schörner.
Und nicht nur der Zeitraum lässt sich über die Scherben bestimmen. „Ersten Erkenntnissen zufolge wurden in den beiden östlichen Gebieten um Gadara und Ailba, wo mehr Niederschlag fiel, schon sehr früh Wein und Olivenbäume angebaut. Um die regenarme Region Umm Al-Jimal bewirtschafteten die Menschen die Felder mit Weizen oder Gerste.
Lehren aus antikem Müll
Schörner ist als Altertumswissenschaftler in erster Linie an der landwirtschaftlichen Nutzung der Region in der Antike interessiert. „Die Scherben können Aufschluss darüber geben, wie die Menschen in der römischen Zeit trotz Wassermangels und Trockenheit ihre Felder bewirtschafteten und beispielsweise Weizen anbauten.“
Allerdings geht der Nutzen solcher archäologischen Projekte noch viel weiter: Vor allem in und um die Stadt Umm Al-Jimal profitieren lokale Projekte von solchen Forschungsergebnissen, um antike Bewässerungssysteme wieder in Gang zu bringen. Darunter das „Umm Al-Jimal Project“, das internationale Studierende und ExpertInnen zusammenbringt:
Diese raffinierten Kanalsysteme speicherten das kostbare Regenwasser und versorgten Mensch und Tier ganzjährig mit Wasser, ohne dabei das letzte bisschen Grundwasser aus der Erde zu holen und eine Versalzung der gesamten Grundwasserressourcen zu riskieren, wie es moderne Systeme oft tun. Die Expertise internationaler ForscherInnen unterstützt das praktische Wissen der Beduinen, die bei diesem Projekt zusammenarbeiten, um die Wasserversorgung der Bevölkerung Umm Al-Jimals aufrecht zu erhalten.
Autorin: Rachel Kernleitner