Zur Erinnerung: All unsere modernen Wissenschaften gehen auf die septem artes liberales zurück. In diesem Kunst-Sinn ist jeder Wissenschaftler auch Künstler. In Galerien landen die Zeugnisse wissenschaftlicher Arbeit trotzdem kaum.
Zur Abwechslung gibt es natürliche Warhols noch bis 31. Juli im Wiener Botanischen Garten zu sehen. Dort kann man PalArt-Werke erwerben und damit die wissenschaftliche Pollenanalyse antreiben.
Pollen ist nicht gleich Pollen
Was den meisten nur in Form von Juckreiz und Tränenfluss unter die Augen kommt, sieht bei näherer Betrachtung ziemlich spektakulär aus. Das Team der Strukturellen und Funktionellen Botanik an der Uni Wien schaut sich einen Pollen nicht nur sehr genau an, sondern hält ihn auch in Bildern fest.
„Die fantastische Formenfülle und Ästhetik des Pollens ist uns immer wieder eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration und Kreativität und unsere Bilder spiegeln dies vielleicht auch in der einen oder anderen Weise wieder,“ so Palynologin Silvia Ulrich.
Es entstehen Werke wie Die braune Elise – ein Pollen der Orchideengattung – oder Together als Abbildung gebündelter Pollenkörner der Chinesischen Winterblüte. „Über PalArt kommen wir öfters ins Gespräch mit Menschen, die bis zu diesem Zeitpunkt nichts mit Pollen anfangen konnten. Im besten Fall kennen die Leute den Allergieaspekt.
Dass Pollen aber nicht nur schön ist, sondern auch zahlreiche wissenschaftliche Fragen beantworten kann, wissen die meisten nicht,“ so Silvia Ulrich. „Der Erlös aus dem Verkauf unserer Bilder kommt zurgänze der weltweit größten Pollendatenbank PalDat zugute.“
Malen nach Zahlen?
Wo andere Künstler etwa zeichnen, besteht die künstlerische Herausforderung für die Wissenschaftler etwa im Vergrößern oder auch im Einfärben. „Die Bilder entstehen mittels Rasterelektronenmikroskop und werden im Nachhinein mittels Photoshop koloriert“, erklärt Ulrich.
Im Hochvakuum werden die Pollen mit einem Elektronenstrahl „abgerastert“ und so ein stark vergrößertes Bild der Objekte aufgenommen. Mithilfe des Rasterelektronenmikroskops, kurz REM, entstehen präzise Oberflächenbilder mit einer typischen Auflösung zwischen ein und zwei Nanometern.
Kunst kommt von Kunststoff
Aber nicht nur hierzulande und nicht nur im Pollenbereich wurde die optisch wahrnehmbare Ästhetik der Wissenschaft erkannt. Beim zwei Mal jährlich stattfindenden Treffen der Materials Research Society, der Konferenz der internationalen Werkstoffgesellschaft in Boston, wird traditionell ein Science-as-Art-Bewerb ausgeschrieben.
Warum? Weil Bilder Informationen oft auf eine Weise transportieren könnten, an die Tabellen und Gleichungen nicht herankämen, begründen die Veranstalter und erklären weiters: „Occasionally, scientific images transcend their role as a medium for transmitting information and contain the aesthetic qualities that transform them into objects of beauty and art.“
Neben dem Austausch von Know-how im Materialstoffbereich präsentieren Wissenschaftler ihre ganz unterschiedliche „Material Art“. Mit Dipl.-Ing. Tanja Jörg vom Institut für funktionale Werkstoffe und Werkstoffsysteme der Montanuni Leoben war vergangenen Herbst sogar eine österreichische Forscherin unter den Preisträgern.
Die elektronenmikroskopische Aufnahme mit Titel A Nano Nation’s Nightmare zeigt den Querschnitt einer mit fokussiertem Ionenstrahl präparierten Kunststofffolie, die – wir zugeben müssen – schon sehr nach Albtraum aussieht:
Neben den Bildern stehen auch Werktitel der Kreativität herkömmlicher Kunstwerken in nichts nach. Wie Hidden Danger in the Nano Cave, The Cliff of the Two-dimensional World, A Dendritic Baby Giraffe Born Inside Ni-Al-C Melt oder Van Gogh Painted with a Glassy Polymer aussehen, könnt ihr hier begutachten: https://www.youtube.com/watch?v=oxXXtiLO-bI