„Schmier dich regelmäßig mit Sonnenschutz ein“ ist in Sachen elterlicher Rat das sommerliche Pendant zu „Zieh dir eine Haube an!“. Darauf wie auf die kaum mehr überschaubaren Meldungen dazu, welches Verhalten und welche Stoffe alle krebserregend sind oder sein könnten, reagieren nicht wenige mit sommerlichem Leichtsinn und nehmen Gefahren des Sonnenlichts auf die allzu leichte Schulter. Besonders beim Sonnenbaden und Bräunen.
„Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein“, wusste Ingeborg Bachmann. Die Sonne ist in vielerlei Hinsicht Motor der Erde und allen Lebens. Sonnenlicht löst Glückgefühle aus, sie versorgt uns mit Vitamin D und jeder Menge Endorphine.
Dennoch, ihre Strahlung ist in vielen Fällen schlicht zu stark für unsere Haut. Obwohl die Risiken des Sonnenbadens – auch in in hiesigen Breiten – allgemein bekannt sind, haben sich die jährlichen Hautrkrebs-Neuerkrankungen in Österreich seit den 1980er-Jahren verdreifacht (Statistik Austria, Österreichisches Krebsregister, Stand 02. 10. 2015).
Sonnenhunger hat Folgen
Warum nehmen so viele Menschen, die zerstörerische UV-Strahlung nicht ernst? „Weil die auslösende Schädigung von Sonne erst Jahrzehnte später zum Hautkrebs wird“, erklärt Iris Zalaudek, Pivatdozentin an der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der Medizinischen Universität in Graz.
Viele Symptome übermäßiger Sonneneinstrahlung sind, ähnlich wie beim Rauchen oder bei fettem Essen, Spätfolgen: Erhöhte Faltenbildung, Pigmentstörungen, Altersflecken, Verlust der Haudichte und Elastizität und eben Photocarcinogenese (Hautkrebs).
Auch bei manchen Hautkrankheiten, wie Neurodermitis, erkennt man zwar reizlindernde Effekte der Sonne, zu viel davon macht das Ganze allerdings wieder schlimmer. Wie so oft ist das Maß entscheidend.
1,5–2 Quadratmeter Statussymbol
Noble Bräune: Seit Coco Chanels Rückkehr von einer mediterranen Rundreise in den 1920ern und ihrem gebräunten Auftritt in der Öffentlichkeit, war dem damaligen Ideal blasser Teint als Kontrast zur gebräunten Haut derer, die unter freiem Himmel arbeiteten, ein Ende bereitet. Sie sah gesünder, erholter und frischer aus. Und das gefiel.
Es blieb jedoch nicht bei “leicht gebräunt”: Mit der Einführung kommerzieller Flugreisen in den 1960ern genossen immer mehr Menschen der westlichen Länder neue Möglichkeiten, dem Bräunungstrend nachzukommen. Es folgte die Erfindung von Sonnenbänken in den 80ern und 90ern der vorlaufige orangefarbenen Zenit des Hypes um das Bräunen erreichte.
Nach wie vor wird für den Frisch-aus-dem-Urlaub-Look so mancher Sonnenbrand in Kauf genommen. „Das wird dann eh braun“, ist eine Verharmlosung, die man beim Feststellen einer überreizten Haut oft als Antwort bekommt. Viele Sonnenanbeter lehnen Sonnencreme ab, weil das Schmieren als lästig empfunden wird. Oder weil der Irrglaube besteht, der gewünschte Teint könnte so nicht erreicht werden.
Cremen allein reiche als Schutz nicht aus, meint Zalaudek. Sie rät: „Man sollte Sonnenbrände und stundenlange Aufenthalte in der Sonne generell vermeiden. Rauchen oder Alkohol verstärken oft die negativen Umwelteinflüsse. Empfehlenswert ist eher ein Nickerchen im kühlen Schatten, als in der Sonne zu schwitzen.“
Schließlich trägt die Globalstrahlung dazu bei, dass man auch im Schatten braun wird, zwar langsamer, aber jedenfalls weniger hautschädigend und auch gleichmäßiger. Denn das Bräunen erfolgt im Schatten durch gebrochene Sonnenstrahlen, die aus den verschiedensten Richtungen auf die Haut treffen.
Hautkrebs-Onlinediagnose?
Die Diagnose von Hautkrebs kann – besonders bei manchen Formen – eine schwierige sein. Nach dem Motto „Vier Augen sehen mehr als zwei“ versuchen Zalaudek und ein internationales Forschungsteam an der MedUni Graz die geballte Intelligenz von ExpertInnen zur Diagnose zu nutzen. Und zwar mithilfe der Telemedizin:
„Der größte Vorteil der Telemedizin ist die rasche Kontaktaufnahme, auch auf große Distanz hin. Das kann man auf viele Bereiche in der Medizin anwenden – eigentlich auf alle, bei denen eine menschliche Einschätzung für eine Diagnose oder die Entscheidung über eine Therapie notwendig sind“, so Zalaudek.
Die Diagnosegenauigkeit hat das Forscherteam durch Bündelung von ExpertInnen erhöht, indem 40 DermatologInnen unabhängig von einander Bilder von Hautläsionen beurteilten – online. Ziel ist es, aus verschiedenen Entscheidungen eine einzige, ideale Diagnose zusammenzusetzen.
So kann durch Kooperation Hautkrebs so früh und so genau wie möglich erkannt werden. Nachteile der Telemedizin gibt es so gut wie keine, außer „dass nur ein Teilbereich des Gesamten gesehen wird. Es besteht somit das Risiko, dass Hautkrebs vom Laien gar nicht erst erkannt wird und folglich gar kein Kontakt aufgenommen wird“, meint Zalaudek.
Wann und wie oft sollte man also den Arzt persönlich aufsuchen?
Laut Zalaudek gibt es keine eindeutigen Statistiken, die die Vorteile von Hautkrebsvorsorge belegen. “Grundsätzlich empfehle ich bei Risikofaktoren die jährliche Untersuchung, sonst bei Veränderungen alle 3–5 Jahre eine Kontrolle durch den Arzt“, so die Dermatologin.
„Es gibt einige genetisch bedingte Krankheiten, die Hautkrebs vererbbar machen. Unter anderem Xeroderma Pigmentosum, Gorlin Syndrom und Gen-Mutationen (CDKN2A) können zu familiär gehäuften Hautkrebsfällen führen“, erklärt die Medizinerin. Unabhängig davon, ob eine solche genetische Vorbelastung vorliegt, sollte man die eigene Haut beobachten und um ein Warnsignal nicht zu übersehen, Routineuntersuchungen vornehmen lassen.
Was man definitiv nicht ignorieren soll, sind „neue und rasch wachsende Hautveränderungen, die entweder schwarz, braun oder auch rot sein können“, gibt uns Iris Zalaudek noch mahnend mit auf den Weg in den Sommer.