Im Mittelpunkt des Diskurs- und Ausstellungsprojektes stehen Aspekte des Widerständigen gegen kapitalistische Produktions- und Verwertungslogiken, Genderrollen, Normierungen und etablierte ästhetische Bilder der Mode. Wie wir Mode produzieren und wie Mode uns produziert, sind Fragen, die dabei im Vordergrund stehen. Das Männerkorsett der Mode-Designerin Vivienne Westwood sowie Jakob Lena Knebls „Madame Tina“ markieren Überschreitungen von Genderrollen-Bildern und sind Teil der Ausstellung.
Die Leiterin des Lehrganges und der Ausstellung, Frau Mag. Beatrice Jaschke, erklärt im Interview den wissenschaftlichen Zugang zur Mode, sowie die Schnittstelle von Mode und Produktion.
Mit welchen Themen befasst sich der ecm-Masterlehrgang der Universität für angewandte Kunst?
Unser Lehrgang beschäftigt sich vorrangig mit Ausstellungstheorie- und Praxis, es geht uns daher stark um theoretische Fragestellungen. Wir beschäftigen uns mit Ausstellungen im erweiterten Feld – nicht nur reine Kunstausstellungen sondern auch jene mit naturwissenschaftlichem Bezug, oder welche im öffentlichen Raum. Wir analysieren auch bereits vorhandene Ausstellungen, um ein Gespür dafür zu bekommen, was eine Ausstellung überhaupt ist und was es bedeutet auszustellen. Diese Grundfragen stellen wir uns. Praxis ist auch ein wesentlicher Teil des Studiums. Wir arbeiten an Projekten und setzen diese im Anschluss um. Nach dem vierten Semester wird der Lehrgang mit einer wissenschaftlichen Master-Thesis abgeschlossen.
„Für Garderobe wird nicht gehaftet. Widerständiges in Mode und Produktion“ ist ein solches Projekt?
Ja, dabei handelt es sich um ein Ausstellungs-Projekt, das innerhalb des Lehrganges organisiert wurde. Es ist aber keine Abschlussarbeit, denn uns ist auch das wissenschaftliche Arbeiten während des Studiums ein Anliegen und somit schreiben die Studierenden im vierten Semester die erwähnte Arbeit.
Bei dieser Ausstellung geht es um die Schnittstelle von Mode und Produktion. Wie kann man Mode aus wissenschaftlicher Sicht definieren?
Das ist eine gute Frage. Ich glaube Mode hat diese absolut vielfältigen Zugänge und man kann sie von so vielen unterschiedlichen Seiten beleuchten, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema unumgänglich ist. Man kann sich aus historischer Sicht damit befassen, oder aus der Sicht der Technik. Bei unserer Ausstellung geht es daher auch um Produktion. Das Erproben und Experimentieren ist auch etwas, das hier an der Universität passiert.
Was sind lokale und globale Kontexte in Bezug auf die Produktion von Mode, die ihr bei eurer Ausstellung abarbeitet?
Die lokalen Kontexte sind ganz klar der Ausstellungsraum selbst und das Wiener Textilviertel. Der Ausstellungsraum liegt am Rande dieses Viertels und hat ebenfalls eine interessante Geschichte. Es war ein jüdisches Kulturtheater, welches damals arisiert wurde. Die Deckengestaltung ist ein Werk von den Gebrüdern Schwadron, die hier ihren Firmensitz hatten. Den internationalen Kontext beleuchten wir anhand von Beispielen, die bei der Ausstellung gezeigt werden.
Wie wird denn nun Mode produziert?
Wir haben uns um diese Frage zu beantworten, die lokalen Produktionsstätten angesehen, wie etwa die Schuhproduktion von László Lukács. Er hat gerade hier an der Angewandten seinen Abschluss gemacht und wir haben uns angesehen, wie er heute arbeitet. Auch Lord Rieger und Mühlbauer sind Modeunternehmen, deren Produktion wir uns angesehen haben. Wir haben ganz klar versucht, uns auf die kleineren Produktionsstätten zu konzentrieren.
Welche Kritik haben Sie in Bezug auf die Modeindustrie?
Da ist eindeutig die Massenproduktion und deren Verwendung von schädlichen Materialien zu nennen. Auch soziale Ausbeutung und Umweltverschmutzung sind Teil dieser Industrie. Damit muss nachhaltiger umgegangen werden.
Ein guter Ansatz wäre bestimmt, Mode regional einzukaufen.
Das wäre der Idealfall und natürlich sich zu überlegen, wo das Kleidungsstück, das man kauft, eigentlich herkommt und vor allem, ob man es wirklich braucht.
Widerspricht Mode in gewisser Art und Weise dem Trend der Nachhaltigkeit?
Ja, in gewisser Weise. Ich denke aber, dass es gerade jetzt auch Trends der Nachhaltigkeit im Bereich Mode gibt. Auch einige große Konzerne gehen mit dieser Frage bewusst um. Dennoch muss man genau hinsehen, weil sich manche Firmen den Titel „Fair Fashion“ erschummeln. Einfach vorsichtig sein beim Kauf.
Es ist aber auch ein gesellschaftliches Problem. Viele Leute können sich keine teure Mode leisten und kaufen daher bei Großanbietern. Wie sehen Sie das?
Das ist eine berechtigte Frage. Deshalb zeigen wir in der Ausstellung auch Alternativen wie Up-Cycling oder Do It Yourself. Eine große Frage die man sich stellen muss ist auch, ob man ständig neue Kleidung braucht. Eine sehr schöne Arbeit ist jene von Anja Alturban, die auch Studierende bei uns ist. Sie zeigt, wie sie aus einem Kleidungsstück zwei machen kann. Mit etwas Fantasie und Gestaltungswille, kann man auch aus alten Dingen wieder neue und interessante Stücke machen.
Ihr stellt euch zudem die Frage „Wie produziert uns Mode?“.
Mode produziert uns täglich. Vor jedem Anlass überlegen wir uns, was wir anziehen. Es gibt auch gewisse Codes, wie etwa das „Curatorial Black“, das wir alle so gern tragen. Bei der Ausstellung geht es auch darum, Brüche in der Mode aufzuzeigen – wie kann man diese Codes brechen.
Die Ausstellung hat am 09.12.2015 im Angewandte Innovation Lab eröffnet und ist dort bis einschließlich 17.01.2016 zu sehen.
Text: Christoph Jelinek