Dieser Tage schnüren einige Menschen zu Hause kleine Hilfspakete – die Debatte um die Flüchtlinge, die zum Beispiel in Traiskirchen gelandet sind, wird nicht nur auf politischer Ebene heftig diskutiert; viele fühlen sich betroffen und wollen helfen, teilen – ohne etwas dafür zurückzuverlangen. Doch das ist nur eine Facette des Teilens. In den letzten Jahren hat der Begriff der Share Economy die Runden gemacht. Projekte wie Uber oder AirBnb haben die Bereitschaft der Menschen Dinge miteinander zu teilen zu Geld gemacht, zu einem eigenen wachsenden Wirtschaftszweig, der natürlich – und das ist auch gut so – nicht vor Österreich halt macht. An der TU Wien forschen gerade drei Wissenschaftlerinnen daran, wie man Teilen fördern und Leute zueinanderbringen kann. Doch bleibt es dabei nicht bei reiner Analyse, sondern es sollen Projekte entstehen. Einerseits ein Food-Sharing-Kiosk, das Lebensmittel, die den einen überbleiben, anderen, die diese sehr gut gebrauchen können, vermittelt. Andererseits ein Projekt namens Give&Take, das älteren Menschen helfen soll, Kontakte zu knüpfen und sich zum Beispiel mit neuen Menschen auszutauschen. Zwei der Forscherinnen, Prof. Margit Pohl und Dr. Özge Subasi standen uns Rede und Antwort.
„Information kann leicht geteilt werden, da sie nicht weniger wird, wenn man sie weitergibt.“
Welches Projekt, das die Share Economy bis jetzt hervorgebracht hat, beeindruckt Sie persönlich am meisten?
Wir sind begeistert von mehrere Projekten aus dem Bereich non-monetären Tauschens und Teilens. Neben älteren Systemen wie internationalem CouchSurfing oder Nachbarschaftsnetzwerken gibt es neue (meist, aber nicht immer, digitale) Bibliotheken der Dinge (z.B.: Bibliothek der Spielzeuge) und alle Arten von Teil&Tausch Netzwerken (z.B.: Foodsharing).
Wir finden auch Projekte spannend, bei denen Information geteilt wird (die bekannteste dieser Plattformen ist wohl Wikipedia). Information kann leicht geteilt werden, da sie nicht weniger wird, wenn man sie weitergibt. Die GeberInnen verfügen noch immer über die Information, auch wenn sie geteilt wird.
Gibt es erfolgreiche Projekte aus Österreich, die sich mit dem Teilen beschäftigen?
Wir sind sehr begeistert, dass es viele gute Beispiele aus Österreich gibt. Neben TalenteTauschkreis und Nachbarschaftszentren, die seit Jahren existieren, gefallen uns neue digitale Systeme wie z.B. FragNebenan, ein Netzwerk für eine Hausgemeinschaft, sehr. Sie haben ein sehr engagiertes, aktives Team, versuchen Leute auch über andere Kanäle zu erreichen (z.B. Postkarten schicken – nicht nur zu Beginn, auch zwischendurch). Oder einfach ein Raum wie LeiLa, eine Bibliothek der Dinge.
Noch ein gutes Beispiel existiert auch im Bereich der Architektur: das Wohnprojekt Wien, ein riesiges, komplexes Projekt, bei dem Kraft, Wille und Engagement, das durchzuziehen, existiert. Share Economy wird hier wirklich “gelebt”. Uns gefällt auch die Umgebung, und dadurch entstehende neue Projekte und Ideen wie z.B. ein Kooperation zwischen Leila und Ute Bock.
Es gibt ja auch Meinungen, die besagen, Menschen wären nur dann altruistisch, wenn sie selbst etwas davon haben. Können Sie das bestätigen? In wie fern stellt das ein Problem dar?
In gewisser Weise, ja. Wir wissen, dass Leute verschiedenste Motivationen haben, wie etwa einfach neue Kontakte schließen oder andere altruistische aber viellicht auch nicht altruistische Motivationen.
Natürlich gibt es immer wieder das Phänomen, dass manche Leute mehr geben als andere und dass manche Leute Share-Plattformen ausnützen. Das Internet kann dieses Problem nicht lösen. Andererseits gibt es sowohl im realen Leben als auch im Internet viele Beispiele für altruistisches Verhalten. Wichtiger ist es aber, dass verschiedene Forschungsergebnisse zeigen, dass ehrenamtliche Arbeit sehr positive Effekte auf psychische Aspekte des Lebens hat.
„Viele interessieren sich für neue Möglichkeiten, die Technologien werden immer leichter zugänglich und immer stärker im Alltag integriert.“
Bezüglich der Food-Sharing Plattform und des Projekts Give&Take, die Sie gerade aufbauen: die beiden Projekte sollen ja auch sozial benachteiligten Gruppen bzw. älteren Menschen zu Gute kommen. Ist es nicht besonders schwer gerade diese beiden Gruppen mit Gadgets zu locken? Besteht hier überhaupt Zugang und Know-How? Und wie kann man bei solchen Projekten niederschwellig vorgehen und die Zielgruppe erreichen oder für neue Technologien erwärmen?
Starke Einbindung der BenutzerInnen in die Projekte ist bei Give&Take sehr wichtig – das ist die Anwendung partizipativer Designprinzipien, also ein Design, bei dem BenutzerInnen aktiv in den Designprozess einbezogen werden. Die Frage ist teilweise mit Vorurteilen behaftet – viele interessieren sich für neue Möglichkeiten, die Technologien werden immer leichter zugänglich und immer stärker im Alltag integriert, bzw. sie sind teilweise auch schon aus den letzten Jahren bekannt.
Bei den Urban Food Spots muss man die Zielgruppen in den Design-Prozess einbeziehen. Man muss sich überlegen, mit welchen Methoden diese NutzerInnen besonders gut angesprochen werden können. Generell vermuten wir, dass es durch die Anonymität bei Kiosk-Systemen leichter wird, die Zielgruppe anzusprechen. Das Interface muss entsprechend einfach sein.
Die interdisziplinäre Forschung hat ja auch in den letzten Jahren stark zugenommen. Würden Sie sagen, dass es sich dabei auch um eine Art des Teilens handelt? Wie sieht es auf der Uni mit dem Teilen im Allgemeinen aus?
Man versucht immer, Synergien zu nutzen. Universitäten der Zukunft werden sich zu neue Formen entwicklen, und WissenschaftlerInnen werden sich immer öfters mit Alltagsproblemen beschäftigen, die interdisziplinär behandelt werden müssen.
Im akademischen Bereich wird die Idee des Teilens von Information eher unterstützt als z.B. im betrieblichen Bereich. WissenschaftlerInnen informieren sich gegenseitig und tauschen Information aus. Das hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass im Wissenschaftssystem Information publiziert, also mit der Allgemeinheit geteilt werden soll.
Was haben Sie persönlich zuletzt geteilt?
Eine Autofahrt (nach Linz), Schoki mit ArbeitskollegInnen, Gartengeräte mit den Nachbarn, Bücher mit Freunden und Freundinnen.