Als Lothar Bodingbauer bemerkte, dass eigene Bienen eine schöne Sache wäre, war er völlig überwältigt. Die Bienenzucht ist nämlich Handwerk und Kunst zugleich und alles andere als leicht. „Die Biene, das Bienenvolk, eine Maschinerie mit Regeln und Abläufen. Gefahren. Alte Männer mit Pfeife und immer wieder Schwärme!“ Bodingbauer war verunsichert. „Wer wird mir sagen, was wann zu tun ist, und wo sind meine Vorbilder?“ Die hat er dann gefunden. Doch die Suche war mühsam und das Zusammentragen der Informationen so anstrengend wie die Arbeit der Bienen selbst. Bodingbauer aber bleibt dran. Sein Lohn im dritten Jahr – rund 20 kg feinster Honig. „Die ersten 10 kg haben wir schon geerntet, alle haben mitgeholfen, der Honig ist phantastisch.“ Das Problem bei der Sache: Imker gehen zwar sehr wissenschaftlich vor, verfassen aber keine Arbeit darüber. Ihr Wissensschatz bleibt also oft in ihrem Kopf. Oder wird mündlich im Gespräch weitergegeben. Das will Bodingbauer ändern. Auch mit seinem Bienengespräch-Podcast. Zeit also für ein Bienengespräch und einen Blick in Bodingbauers Bienen-Arbeitsplatz beim Wiener Belvedere.
Was waren denn ihre Highlights im ersten Imkerjahr?
Im ersten lernt man erst einmal in Imkerkursen wie es geht. Einige Wochenenden haben wir an der Landwirtschaftsschule Mistelbach verbrach, das war eine tolle Atmosphäre. Als dann im zweiten Jahr die Bienen kamen, saß ich stundenlang vor dem Flugloch und schaute zu, wie sie mit ihren orangen, gelben, roten Pollenhöschen hereinsegelten.
Warum glauben sie, dass die Bienen sich aktuell so großer Beliebtheit erfreuen und immer mehr junge Menschen die Imkerei für sich entdecken?
Bienen sind Sympathieträger. Viele Menschen wollen etwas tun, um die gefährdeten Bienen zu unterstützen. Was ich schnell lernte war, dass man mit diesem Wollen noch mehr Schaden anrichten kann, denn obwohl die Bienen schon 100 Millionen Jahre ganz gut ohne Menschen existierten, kann ein begeisterter Neuling innerhalb kurzer Zeit Totalschaden anrichten. Überraschend war für mich zu sehen, wie viel von der Biene Maja, die wohl jeder als Kind gesehen hat, auch wirklich stimmt. Die haben diesen Film toll hingekriegt.
Wie sieht denn der Arbeitstag eines Imkers aus, was gibt’s zu tun?
Schauen, was sich am Flugloch tut. Und dann, wenn reger Flugverkehr ist, die Finger von allem lassen. „Sie machen das alleine“. Im wesentlichen geht es darum, Bedingungen zu schaffen, in denen sich das Volk entwickeln kann. Rähmchen mit Waben zugeben, wenn der süße Nektar kommt, Honigräume aufsetzen, immer wieder Varroa-Milben zählen – das ist ein Parasit, wie eine Zecke im Nacken der Biene und in den Brutzellen. Man muss rechtzeitig bemerken, wenn ihre Zahl zu hoch ist, ob die Schadschwelle überschritten ist, ab der man handeln muss. Manchmal die Rähmchen neu gruppieren oder aussortieren, und dann natürlich auch Honigernten.
„Sie rammen dir mit Karacho den Stachel in die Haut.“ – Lothar Bodingbauer
Nervt Sie auch etwas an der Imkerei?
Es sind wirklich die Stiche. Die Bienen werden auf „Sanftmut“ gezüchtet, sodass sie einen nicht gleich entgegen kommen, wenn man die Bienenbeute öffnet. Wenn aber eine Biene entscheidet, sie fühlt sich durch deine Hand bedroht, dann fliegt sie mit Karacho darauf los und rammt dir den Stachel in die Haut. Danke, das brauche ich nicht allzu oft. Und die Sorge, ob das, was man gerade macht, der absolute Blödsinn ist und dein Volk über den Rand der Existenz bringt.
Was daran möchten sie nicht mehr missen?
Den Kontakt mit den vielen unterschiedlichen Menschen, die sich mit Bienen beschäftigen. Den Kontakt mit den Bienen selbst, die sich echt auskennen, wie man so eine Honigmaschinerie betreibt. Die Logik, die im Bienenvolk steckt, und den Honig, er ist aus unseren Gärten um das Belvedere in Wien ein Hit.
Sie meinen, dass viel vom Wissen um die Kunst der Bienenzucht in Vereinen „gehortet“ wird und nicht leicht zugänglich ist. Warum ist das so?
Was ich mit „horten“ meine, ist, dass das Wissen oft in den Imker-Kreisen bleibt. Nicht wegen einer fehlenden Bereitschaft es herzugeben, sondern wegen der Logik, wie Wissen über Vereine verbreitet wird. Die Bienengespräche sind dazu da, diese Vereinsschranken zu überwinden, das Wissen aus den Köpfen und den Landstrichen zu „befreien“ -aber nicht wegen der Menschen, die es festhalten würden.
Wenn die Vereine ihr Wissen also nicht „horten“ – was war dann das Schwierige für Sie als Neuling?
Jeder gibt bereitwillig Auskunft, aber an den Inhalt ranzukommen, das war das Schwierige. Just in Time nämlich. Immer genau dann, wenn ich zu einem bestimmten Thema detaillierte Informationen brauche. Das kann dann oft auch innerhalb weniger Stunden sein. Das Bienenjahr ist so vielgestaltig, und die Probleme so unterschiedlich, dass eine funktionierende Informationsweitergabe Goldes wert ist – übrigens auch für jene Imker, die helfen und beraten, denn so vermeiden sie, dass ich mit falschen Betriebsweisen Krankheiten in meinen Bienen fördere, die auch ihren Bienen schaden.
Wie hat sich die Imkerei in den vergangenen Jahren verändert und was hat diese Veränderungen ausgelöst?
Die Bedrohung durch Insektizide hat gemeinsam mit anderen Umweltgiften die Völker echt an den Rande der Existenz getrieben. Wenn dieses Risiko halbwegs im Zaum ist, dann ist es im Moment die Varroa-Milbe, die die größten Veränderungen in der traditionellen Imkerei bewirkt. Man muss den Zustand seiner Völker immer überprüfen. Das fällt aber im Moment vielen Imkern schwer, die nicht mehr so weitermachen wie bisher können, nämlich auf ihren wertvollen Erfahrungsschatz aufbauen. Deswegen ist der Rückfluss von der Wissenschaft wieder zu den Imkern so wichtig – auch dafür sollen die Bienengespräche beitragen.
Was sind aktuell die größten Bedrohungen für die Biene?
Varroa, Insektizide, der kleine Beutekäfer, der vielleicht bald aus Italien zu uns kommt, und Imker ohne gute Ausbildung.
Gibt es etwas, das jeder und jede tun kann, um den Bienen zu helfen?
Soweit ich das jetzt schon beurteilen kann, ist es der bewusste Einkauf von Nahrungsmitteln. Dann der verantwortungsvolle Bewusstsein mit Land und Landwirtschaft samt Feldern, Wiesen und Blumen, und dann, dass man viel weiß, was die Biene so braucht – nämlich wie wir alle, eine intakte Umwelt, in der wir uns bemühen, mit allen anderen Arten dieses Planeten so nachhaltig wie wie möglich zu leben.
„Bienengespräche – Bildung in der Imkerei, Wissen aus der Forschung“ findet im Rahmen des Ö1 Hörsaals heute, 11. Juni 2015, an der Uni Graz statt. Ab 16.00 Uhr geht es im Gewächshaus des Botanischen Gartens los. Die Adresse: Schubertstraße 59, 8010 Graz.