Konstanze Zwinz strahlt. Sogar übers Telefon. Wahrscheinlich kommt das von den Sternen, die die Wissenschaftlerin von der Universität Innsbruck untersucht. Freudig aufgeregt und so gar nicht abgeklärt professionell klingt es, wenn Zwintz über die Himmelskörper spricht. Schon als kleines Mädchen habe sie ihre Mutter über Sterne und das Weltall ausgefragt. Auf gemeinsamen Spaziergängen saugte sie alles auf, was die Eltern über Natur und Himmelskörper wussten. „Sie haben meine Neugier in allen Dingen gefördert“, sagt sie heute. Die Passion für das Unbekannte und der Wille, Neues zu entdecken und nicht aufzugeben wurden damals angelegt. Von Besuchen ihrer Großeltern am Land hat sich das Bild des wunderschön klaren Sternenhimmels im Gedächtnis eingebrannt. Die Apollo-Missionen, die Mondlandung und das Abenteuer Weltall prägten die 1970er in denen Zwintz aufwuchs. „Das Wunder der Natur und dass der Weltraum etwas Besonderes ist, das habe ich früh mitbekommen.“ Heute gilt Konstanze Zwintz als weltweit führende Expertin auf dem Gebiet der Astroseismologie. Mit dieser „Ultraschalluntersuchung für Sterne“ erkundet sie das Alter der Himmelskörper. Zwintz veröffentlicht in den angesehensten Journals und blickt von Chile, Russland, Kanada oder Südafrika begeistert in den nächtlichen Himmel. Am kommenden Sonntag ist sie zu Gast bei der Yuri’s Night in der Wiener Urania. Yuri’s Night wird weltweit am 12.04. gefeiert, um an Yuri Gagarins Jungfernflug in den Weltraum im Jahr 1961 zu erinnern.
Sie sind eine weltweit anerkannte Expertin auf dem Gebiet der Astroseismologie. Worum geht’s da genau?
Es geht um die Lehre von den Schwingungen. Wir alle kennen Erdbeben und nutzen sie und die Seismologie, um zu erfahren, wie unsere Erde aufgebaut ist. Jede Druckwelle ist auch ein Klang. Moleküle übertragen Schall und Dichte. Durch Ultraschall können wir also ins Innere der Erde blicken, so wie wir ein Baby im Bauch der Mutter sehen können. Weil auch die Sonne schwingt, wissen wir, wie sie im Inneren aufgebaut ist. Sterne schwingen auch. Wir messen dann ihre Helligkeit mit einer Lichtkurve. Die Form der Schwingungen auf der Lichtkurve erzählt uns über das Innere eines Sterns. Die Wellen aus dem Inneren eines Sterns lösen Änderungen an der Oberfläche aus. Dadurch ändert sich auch das Licht. Wenn sich ein Stern ausdehnt, gibt es mehr Licht, zieht er sich zusammen, gibt es weniger Licht. Wir erhalten viele Wellen aus unterschiedlichen Tiefen des Sterns und die erzählen uns über seine Dichte und seine Zusammensetzung.
Sie haben im Jahr 2000 Ihre Dissertation begonnen, damals war die Erforschung junger Sterne noch ein weitgehend unbeackertes Feld. Womit hätten Sie, in den 15 Jahren die seither vergangen sind, nie gerechnet?
Schwierige Frage. Ich bin immer optimistisch und hoffe, dass man Dinge klären kann. Zu Beginn meiner Diss waren schon die kleinen Ziele ein Wahnsinn. Es gab ein Schlüsselerlebnis. Ich war 2 Wochen lang zu Beobachtungen in Chile. Wieder daheim musste ich Nacht für Nacht tausende Bilder analysieren. 14 Nächte lang. Da habe ich mich schon gefragt: warum tust du dir das an? Ich saß im Büro und starrte auf Lichtkurven von Sternen und musste herausfinden, ob davon einer schwingt. 180 Sterne gab es zu untersuchen. Stern für Stern. Wenn einer schwingt, sieht man es ja sofort. Nach gut 30, 40 Sternen war da: nichts. Noch einen, dachte ich mir. Und plötzlich habe ich die Schwingung vor mir. Ich saß minutenlang vor dem Schirm. Wow. Ich dachte, ich halluziniere. Damals war jeder Stern ein unglaublicher Erfolg. Dabei hatten mich viele Kollegen immer wieder skeptisch gefragt, warum ich mir das antue. Unvorstellbar, wo wir heute sind und dass ein Großteil davon meine Arbeit ist.
„Der Volksschul-Stern ist größer als der Matura-Stern.“ – Konstanze Zwintz
2014 haben sie dann in „Science“ eine neue Methode zur Altersbestimmung junger Sterne veröffentlicht. Wie erinnern sie sich an diesen Durchbruch?
Das war Freude und Zweifel gleichzeitig. Oft wünscht man sich ja zu sehr, bestimmte Dinge zu sehen. Aber wissenschaftliche Zusammenhänge sind selten so klar. Damals sind meine Kollegen zusammengelaufen und waren sich alle einig – ja, da ist etwas. Wir fanden heraus, dass sich junge Sterne zusammenziehen, immer kleiner und kompakter und heißer werden. Der Volksschul-Stern ist also größer als der Matura-Stern. Je erwachsener die Sterne sind, desto schneller pulsieren sie. Eigentlich logisch, weil auch ein größerer Ball behäbiger ist als ein kleinerer. In Zukunft möchten wir die Pulsationseigenschaften und den Entwicklungszustand als Basis für Altersangaben nutzen. Dazu gibt’s aktuell Modellberechnungen.
Sie haben in vielen Ländern in den Himmel gestarrt. Kanada, Chile, Russland, Südafrika oder die USA– gibt’s eigentlich kulturelle Unterschiede in der Deutung von Sternen?
Sternschnuppen zu sehen und sich dabei etwas wünschen, das scheint es fast überall zu geben. Die Sternbilder selbst sind ja international gleich. In Chile gibt’s aber etwas Besonderes. Da glauben die Menschen an den „rauchenden Teekessel“ – das ist eine Gruppe von Sternen im Skorpion, die für die Chilenen eben aussieht wie ein kleiner Teekessel aus dem es rausraucht.
„Die Sonne ist mittelkühl mit rund 6000 Grad an der Oberfläche.“ – Konstanze Zwintz
Wie würde der Steckbrief eines Sterns aussehen?
Das ist schwierig, beim Menschen gibt’s ja auch keinen Durchschnittsmenschen. Man kann es aber statistisch lösen. Grundsätzlich ist ein Stern ein großer Ball aus heißem Gas mit mehreren Millionen Grad Durchschnittstemperatur. Es gibt große und heiße, aber auch kleine und weniger heiße Sterne. Die Sonne etwa ist mittelkühl mit rund 6000 Grad an der Oberfläche. Es gibt aber auch viel heißere und viel kühlere, mit nur rund 1000 Grad. Wir nehmen die Sonne als Referenzpunkt, weil sie uns am nächsten ist und wir sie genau vermessen können. Wir können auf der Sonne ganze Kilometer ihrer Oberfläche auflösen. Es dauert zwischen 10.000 und 100.000 Jahren bis ein Stern entsteht. Die Sonne ist heute rund 4 ½ Milliarden Jahre alt und sie wird noch einmal so lange brauchen, bis sie als weißer Zwerg endet. Sterne mit einer hohen Maße entwickeln sich dagegen sehr schnell. Da kann man schon in wenigen Jahren Änderungen mitverfolgen. (Aktuell etwa hier zu bestaunen.)
Sind menschliche Begriffe wie “Kindheit” oder “Jugend” von Sternen immer hilfreich oder können sie auch hinderlich sein?
Ich arbeite gern mit diesen Bildern. Bei der Geburt entsteht aus der Molekülwolke der Protostern. In der Kindheit ist der Stern dann noch eingebettet in diese Wolke und teilweise noch gar nicht sichtbar. Dann kommt der Sternenwind und beginnt, die Hülle wegzublasen. Die Teenagerphase beginnt. Dann wollen diese Sterne schon erwachsen sein, wissen aber noch nicht genau wie. Sie haben Eigenschaften wie Erwachsene; Masse, Leuchtkraft oder ihr Radius zum Beispiel. Wenn er heiß genug wird für eine Kernfusion wird der Teenager zum Erwachsenen. Dann wird im Kern Wasserstoff zu Helium verbrannt und es beginnt eine lange, recht stabile Phase. Dann beginnen auch Sterne über die Pension nachzudenken und gehören langsam zum alten Eisen. Der Wasserstoff im Kern geht aus und er beginnt, in der Schale und außerhalb des Kerns Wasserstoff zu verbrennen. Er wird zu einem großen roten Riesen, bläht sich auf und nähert sich dem Endstadium.
Warum ist das wichtig? Was bringt es zu wissen, wie alt ein Stern wirklich ist?
Das ist deswegen wirklich wichtig, weil viel am Alter eines Sterns hängt. Etwa die Entstehung von Planetensystemen. Es geht auch um die Frage, wann ein Stern ein Stern ist. Es gibt ja kein Geburtsdatum. Wenn ich aber eine Methode finde, die nicht auf Modelle und Annahmen setzt, sondern auf gesicherte Beobachtungen, dann habe ich neue Referenzen. Ich kann dann, modellunabhängig, alles verbessern, was danach kommt. Wenn es etwa in einem ausgebildeten Planetensystem einen jungen Stern gibt, dann kann ich helfen. Ich wurde auch schon angefragt, das wird aber noch dauern. Meine Ergebnisse verfeinern dann die Altersbestimmung, sie schärfen die wissenschaftliche Suche und fördern das Verständnis für die Entstehung von Planeten.
Früher wollte Konstanze Zwintz einmal Pianistin werden. Schon als Kind musizierte sie mit ihrer Familie. Hausmusik war angesagt. Heute denkt sie bei der Kombination Musik + Sterne vor allem an Claude Debussy.
„Claude Debussys „Clair de Lune“ bedeutet mir sehr viel. Nicht weil es astronomisch angehaucht, sondern weil es wunderschön ist. Ich habe es einmal bei einem Konzert gespielt, damals in einer Musikschule im 10. Bezirk. Mein letztes Konzert übrigens.“ – Konstanze Zwintz
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Alle Fotos dieses Beitrages stammen von Konstanze Zwintz. Das Titelbild zeigt das Cerro Tololo Interamerican Observatory in La-Serena, Chile.