Eine Zusammenfassung schreiben, Listen erstellen oder den Lebenslauf verbessern – viele Menschen nutzen KI-Programme wie ChatGPT, um sich den (Berufs-)Alltag zu erleichtern. Schnell gerät in Vergessenheit, dass die Künstliche Intelligenz, die in digitalen Helfern wie ChatGPT steckt, enorme Mengen an Energie verbraucht. „Künstliche Intelligenz braucht deshalb so viel Energie, weil sie so viele Rechenoperationen benötigt. Diese sind zwar nicht unbedingt komplex, aber die KI-Systeme müssen Modelle bilden und dazu viele Daten sammeln“, erklärt Ivona Brandić. Die Informatikerin befasst sich an der TU Wien damit, wie KI und Rechenzentren nachhaltiger gestaltet werden können.
Die Expertin erinnert daran, dass sich die Rechnerarchitektur – also die Organisation aller Arbeitsabläufe im Rechner – in den letzten Jahrzehnten kaum verändert hat: So basieren weiterhin fast alle Computer auf der sogenannten Von-Neumann-Architektur. Dieses Modell, das nach dem österreichisch-ungarischen Mathematiker John von Neumann benannt ist, ist durch einen gemeinsamen Speicher von Befehlen (ebenso Programmcodes genannt) als auch Daten gekennzeichnet. „Dieses Modell ist nicht effizient“, sagt Ivona Brandić.
Hoher Energieverbrauch
Um die Dimensionen des Energieverbrauchs etwas greifbarer zu machen, bedient sich die Expertin einiger Beispiele: „Generiert man 1.000 Bilder mit einer KI, dann benötigt das so viel Strom, wie einmal den Geschirrspüler einzuschalten und die Erstellung eines einminütigem Videos braucht so viel Strom wie 36 Stunden Playstation spielen.“ Spricht man vom hohen Energieverbrauch der Künstlichen Intelligenz ist damit nicht nur Strom gemeint: „Die Rechenzentren, in denen KI trainiert werden, brauchen nicht nur Strom, sondern müssten zuerst einmal gebaut und danach ständig gekühlt werden. Dafür benötigen sie Kühlwasser – und das in Trinkwasserqualität.“
Dass Fabriken viel Energie verbrauchen, sieht man an dampfenden Fabriksschloten. Rechenzentren sind zwar überall auf der Welt zu finden, jedoch sind sie viel versteckter im öffentlichen Raum. Die meisten Menschen wissen vermutlich nicht einmal, wenn sie an einem Rechenzentrum vorbeigehen. Deshalb ist es schwerer zu verstehen, welche Ressourcen diese verbrauchen.
Kritische Infrastruktur
In den letzten Jahren gab es verstärkt mediale Diskussionen über die sogenannte Kritische Infrastruktur: Dazu zählen etwa Wasser-, Gas- und Ölversorgung, Verkehrs- und Transportwesen, Elektrizität sowie der Gesundheitssektor. Da unser Leben mittlerweile stark von vielen technischen Errungenschaften – wie auch der Künstlichen Intelligenz – geprägt ist, zählt diese auch zur Kritischen Infrastruktur. Somit steht deren Energieverbrauch bzw. die Frage, wie KI und Rechenzentren nachhaltiger werden können, seit einigen Jahren vermehrt im Fokus der Forschung, so Ivona Brandić.
Strompreise und -versorgung
Zudem haben die letzten Jahre gezeigt, wie schnell sich die Preise für Strom ändern können. „Strom war bisher eher billig, daher war der Stromverbrauch der KI vielen relativ egal. Mittlerweile hat man aber verstanden, wie fragil, kritisch und mitunter teuer unsere Stromversorgung ist.“
In Ländern wie den USA werden manche Rechenzentren – wie etwa die von Google oder Amazon – in die Nähe von Atomkraftwerken gebaut, um zu gewähren, dass diese stets Strom haben. Ein andere Möglichkeit besteht darin, Small Modular Reactors – auch „Miniatomkraftwerke“ genannt – zu bauen. Diese haben kleinere Reaktoren als die sonstigen Atomkraftwerke, so setzt etwa Google auf diese Miniatomkraftwerke, um dem steigenden Energiebedarf gerecht zu werden.
Mehr Nachhaltigkeit
Welche Möglichkeiten gibt es nun, um KI-Systeme oder auch Rechenzentren nachhaltiger zu gestalten? Die Informatikerin betont, dass hier Algorithmen eine wichtige Rolle spielen: „Diese müssen nicht nur schnell und zuverlässig, sondern auch nachhaltig sein. Softwareentwicklung per se kann nachhaltiger sein, auch die Hardware kann besser werden – und es ist bedeutend, wie wir Technik und KI nutzen.“ Rechenzentren können ebenso nachhaltiger gebaut werden, mittlerweile gibt es dafür eigene Zertifizierungen.
Ein konkretes Beispiel sind „Workload Shift in Space and Time“-Algorithmen. Dabei werden Arbeitslasten zeitlich oder räumlich verlagert. So können Programme beispielsweise statt mittags erst um Mitternacht ausgeführt werden, wenn Strom günstiger und umweltfreundlicher ist. Ebenso ist eine geografische Verschiebung möglich, etwa zwischen zwei verteilten Rechenzentren, wenn an einem Standort bessere oder kosteneffizientere Bedingungen für die Stromerzeugung herrschen.
Zu guter Letzt erinnert die Expertin daran, dass auch wir Menschen einen besseren und zugleich nachhaltigeren Umgang mit Technik und KI erlernen müssen: „Der Umgang mit Technik ist zu einer Kulturtechnik wie Lesen und Schreiben geworden. Wie wir uns im Netz bewegen und wie man etwa Fake News erkennt, dazu gab es in den letzten Jahren viele Bestrebungen, da sind wir auf einem guten Weg. Aber es ist wichtig, den Menschen mehr Verständnis für die Grundlagen der Technik zu vermitteln, denn Informatik ist die Wissenschaft des 21. Jahrhunderts.“
