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Eine Schreibmaschine ist zu sehen, auf dem Blatt steht "Fake News".
30. Januar 2025

Schadet Desinformation unserer Demokratie?

Von Schrödingers Katze
Gesellschaft
Desinformation zerstört nicht die Demokratie, aber verlieren Menschen durch sie ihr Vertrauen in seriöse Medien. Daher braucht es Medienkompetenz.

Medien, Künstliche Intelligenz (KI) und die unerkannte Macht der Daten: Auf diese Themen fokussierte die Studie „International Observatory on Information and Democracy“: Für diese wurden 1.600 Quellen aus 84 Ländern untersucht, um mehr über den Einfluss der Digitalisierung auf die Demokratie zu erfahren. Das Ergebnis: Falschinformationen machen die Demokratie nicht kaputt. Es ist alles ein bisschen komplizierter. Das Ergebnis der internationalen Forscher*innenteams ist, dass Desinformation keinen nachweisbaren Einfluss auf die Meinungsbildung einzelner Menschen hat bzw. der Demokratie im Ganzen nicht schadet. „Uns und der Demokratie geht es besser, als wir denken – trotz nicht zu leugnender Herausforderungen“, sagt Matthias Kettemann, an der Studie beteiligter Jurist und Experte für Internetrecht an der Universität Innsbruck. Das Ergebnis mag überraschend wirken, schließlich sind Fake News oft Thema brisanter Diskussionen und viele haben das Gefühl, dass diese demokratieschädigend sind. Matthias Kettemann: „Das Gefühl entsteht, weil der öffentliche Diskurs über Desinformation häufig Angst vor deren Auswirkungen schürt. Die Angst vor Desinformation verstärkt ihre Wirkung erst und nutzt denjenigen, die Fake News verbreiten.“

Vertrauen in die Medien

Desinformation zerstört nicht die Demokratie, wirkt sich aber negativ auf das Vertrauen in seriöse Medien aus: Das zeigt der Digital News Report des Reuters Institute for the Study of Journalism, der in Österreich von der Universität Salzburg durchgeführt wird. „2024 sagten nur mehr 35 % der Befragten, sie würden Nachrichten eher vertrauen“, nennt Kettemann ein Ergebnis des Reports. Diese Skepsis geht mit einem Diskurs über Fake News einher, der sich zunehmend aufheizt. Der Jurist plädiert für Gelassenheit: „Wir sollten Desinformation objektiv und sachlich begegnen.“ Und auch über Gutes Reden: Schließlich zeigte der Report auch, dass Menschen sehr wohl informiert werden wollen, denn Qualitäts-TV-Nachrichtenprogramme sind weiterhin die am häufigsten genutzte Nachrichtenquelle. Auch gedruckte Zeitungen werden in Österreich fast doppelt so oft gelesen wie im globalen Durchschnitt. Es fehlt aber, warnt Kettemann, an Medienkompetenz, denn viele Menschen haben Probleme damit, zwischen echten Nachrichten und Fake News zu unterscheiden – besonders bei polarisierenden Themen wie Politik oder Corona. Daher braucht es eine bessere Medienbildung, Transparenz in der Berichterstattung und die Förderung kritischen Denkens.

Datenregulierung

Zurück zur Metastudie „International Observatory on Information and Democracy“: In dieser ging es auch darum, dass (große) Firmen viele Daten sammeln. Das kann gefährlich werden, sagt Matthias Kettemann: „Datenmonopolisierung führt zu einem Machtungleichgewicht, bei dem Technologieunternehmen immense Wissens- und Marktvorteile erlangen. Die Umwandlung personenbezogener Daten in privates Kapital bleibt weitgehend unreguliert, das erleichtert marktschädigendes und rechteverletzendes Verhalten und schadet den Menschen.“ Es fehlen globale Regulierungsmaßnahmen, mitunter, weil Länder unterschiedliche Interessen haben: „Die USA haben tendenziell weniger Probleme damit, wenn große US-Unternehmen Daten sammeln, gerade wenn sie von Europäer*innen stammen, und China priorisiert vor allem die nationale Sicherheit.“ Länder wie diese sind nicht besonders motiviert, Regeln aufzustellen.

Globaler Süden

Die Metastudie zeigte weiters, dass die Forschung zu Desinformation und deren Folgen für die Demokratie bisher primär auf Länder des Globalen Nordens fokussiert war; nur ein Viertel der Quellen stammte aus Ländern des Globalen Südens trotz großer Anstrengungen der Forscher*innen und vielen Gesprächen mit Expert*innen für diese Regionen. „Es ist für europäische Forscher*innen leichter zur Präsenz rechter europäischer Parteien auf TikTok zu forschen als zur Wirkung von mangelnder landessprachlicher Moderation in Kenia oder ausländischer Informationsoperationen in Tansania“, erklärt der Jurist. Während die Demokratie in den Ländern des Globalen Nordens durch Desinformation keinen Schaden nimmt, ist diese für den Globalen Süden insofern problematisch, weil der Einfluss von Desinformationen im Globalen Süden die politische Instabilität dieser Länder verschärfen kann. Dadurch wächst ebenso das Misstrauen in demokratische Institutionen, die sich dort erst herausbilden. „In diesen Ländern werden Falschmeldungen und manipulativen Inhalte leichter verbreitet, da unabhängiger Journalismus und eine starke Medienaufsicht oft fehlen.“

Künstliche Intelligenz

Außerdem behandelte die Studie die Auswirkungen von KI: „KI-gestützte Empfehlungssysteme in sozialen Medien können Polarisierung verstärken, da sie auf Daten trainiert werden, die nicht divers genug sind und auf Ziele optimiert sind, die meistens nicht mit gesellschaftlichen Werten im Einklang sind“, erinnert der Experte. Die meisten Algorithmen priorisieren Inhalte, die hohe Interaktionen erzielen (Schrödingers Katze berichtete) dabei gewinnen Inhalte, die aufregen, denn das bringt Klicks. Daher braucht es regelmäßige Überprüfungen und transparente Algorithmen. Zur Verteidigung der KI sagt Matthias Kettemann: „Die KI kann gar nichts dafür, sondern immer die Menschen hinter der Technik.“ Und außerdem gibt es seit letzten Jahr europäische Rechtsakte, die Plattformen dazu verpflichten, offenzulegen, auf was sie ihre algorithmischen Empfehlungssysteme optimieren. „Mehr Transparenz ist immer gut“, sagt der Innsbrucker Internetforscher.

Jurist Matthias Kettemann
Matthias Kettemann ist Universitätsprofessor für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts an der Universität Innsbruck. © Birgit Pichler

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