„Sozialunternehmen sind Organisationen die gesellschaftliche Anliegen mit unternehmerischen Mitteln verfolgen“, erklärt Peter Vandor, Senior Researcher und Vortragender an der WU Wien sowie Mitgründer und Leiter des dort ansässigen Social Entrepreneurship Centers. Erst kürzlich veröffentlichten er und seine Kolleg*innen den Austrian Social Enterprise Monitor (ASEM), eine Studie zu den aktuellen Bedingungen und Herausforderungen der österreichischen Sozialunternehmen. Es zeigte sich, dass diese zwar besonders stark von der schlechten Wirtschaftslage betroffen sind, aber dennoch wachsen und neue Impulse für Wirtschaft und Gesellschaft setzen.
Definition
Es gibt in Europa unterschiedliche Definitionen von Sozialunternehmen, aber alle eint das Ziel, positiv auf die Gesellschaft zu wirken: „In Österreich reinvestieren 94,3 % der Sozialunternehmen den Großteil ihrer Gewinne bzw. schütten diese nicht an die Eigentümer*innen aus“, erklärt Peter Vandor. Sozialunternehmen finanzieren sich häufig über Markteinnahmen – etwa durch den Verkauf von Waren und Dienstleistungen – und seltener über Spenden. Sie sind innovativ und relativ neu: „In Österreich wurden 47,9 % der Sozialunternehmen in den letzten zehn Jahren gegründet. 38,6 % befinden sich in frühen Stadien ihrer Entwicklung. Bekannte Beispiel für Sozialunternehmen sind das Generationenkaffeehaus Vollpension, das integrative Hotel Magdas, das Jugendmobilitätsstartup movevo4kids oder der nachhaltige Anbieter von mobilen Kompostiertoiletten öKlo.“
Zahlen
Laut Schätzungen der WU Wien gib es in Österreich aktuell ca. 2.400 Sozialunternehmen. Die unter diesem Begriff fallenden Unternehmen können dabei unterschiedliche Rechtsformen haben. Während es in anderen Ländern – wie Großbritannien. Frankreich oder Italien – eigene Rechtsformen für Sozialunternehmen gibt, sind diese hierzulande meist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder als Verein organisiert; manche kombinieren auch mehrere Rechtsformen. „Eine eigene Rechtsform gibt es nicht, aber seit Ende 2022 besteht die Möglichkeit, seine Organisation als ‚Verified Social Enterprise’ zertifizieren zu lassen“, führt Peter Vandor aus. Dieses Label wird von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (aws) vergeben. Grundsätzliche steuerliche Vorteile gibt es für verifizierte Sozialunternehmen aktuell keine. „Zertifizierte Unternehmen haben aber den Vorteil, dass sie mit größerer Legitimität gegenüber Kund*innen, Mitarbeiter*innen und Dritten auftreten können.“ Zudem können Sozialunternehmen beim Finanzamt als gemeinnützig eingestuft werden – und dadurch Steuervorteile genießen.
Ziele
Die Sozialunternehmen sind besonders häufig im Gesundheitsbereich, im Bildungswesen oder der Informatik tätig. Ihre Produkte und Dienstleistungen richten sich vor allem an Kinder und Jugendliche, Migrant*innen, Frauen, Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, Armutsbetroffene sowie Menschen mit Behinderungen. „Oft sind ökologische Anliegen zentral, knapp die Hälfe (47,9 %) nennt Anliegen wie Klimaschutz oder Nachhaltigkeit als eines ihrer drei Ziele.“ Der Sektor ist stark in Wien konzentriert, mehr als die Hälfte (50,3 %) der Sozialunternehmen befinden sich in der österreichischen Bundeshauptstadt. Danach folgen die Steiermark (13,3 %) sowie Niederösterreich (9,8 %). Sozialunternehmen beschäftigen ca. 60.000 bis 159.000 Personen (34.000 bis 93.000 davon in Vollzeitstellen). Knapp die Hälfte der Unternehmen plant im kommenden Jahr, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Krisenfest
Laut dem Austrian Social Enterprise Monitor erweisen sich Österreichs Sozialunternehmen als krisenfest und können sich beweisen, obwohl sie von der Teuerung stark betroffen sind. Peter Vandor weiß, warum das so ist: Sozialunternehmen sind ein junges Phänomen, sie gelten als flexibel und können sich schnell anpassen. Die Mehrheit von ihnen entwickelt ständig neue Produkte bzw. Dienstleistungen, sie sind somit nahe am Marktgeschehen dran. Ein weiterer Aspekt ist auch deren steigende Nachfrage und deren gesellschaftliches Wirken.
Einfluss
Die gesamtwirtschaftliche Leistungen aller Sozialunternehmen zu messen, ist laut Peter Vandor schwierig, dennoch gibt es Zahlen, an denen man sich orientieren kann: „Einen interessanten Referenzwert liefert die Auswertung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Österreichischen Nonprofit Organisationen, die die Gesamtwertschöpfung der Sozialwirtschaft auf 12 Mrd. EUR p. a. bzw. etwa 3,3 % des Bruttonationalproduktes berechnet. Knapp 3,7 Mrd. EUR (1,0 % des Bruttonationalproduktes) werden dabei von Unternehmen erbracht, die ihre Güter zu einem wirtschaftlich signifikanten Preis verkaufen.“ Das ist eine vage Annäherung an Sozialunternehmen und kann als Orientierung dienen.
Der Experte geht davon aus, dass die wirtschaftliche Bedeutung von Sozialunternehmen wachsen wird: „Laut aktuellen Erhebungen des Global Entrepreneurship Monitor und des Austrian Startup Monitor priorisiert mittlerweile eines von zwei Gründungsteams in Österreich gesellschaftliche Wirkungen, auch an den Universitäten ist die Nachfrage nach Kursen und Angeboten zu Sozialunternehmertum hoch.“ Die im Rahmen des Austrian Social Enterprise Monitor befragten Sozialunternehmer*innen sind zudem optimistisch: „Mehr als die Hälfte (54,6 %) rechnet im kommenden Jahr mit steigenden Umsätzen, mehr als 90 % haben konkrete Wachstumspläne.“
Förderungen
Gezielte Förderprogramme, mehr Investitionskapital, eine Stärkung des Verified Social Enterprise-Zertifikats sowie politische Strategien würden Sozialunternehmen auf jeden Fall helfen. Und es braucht ein gesellschaftliches Verständnis dafür, welchen wertvollen Beitrag Sozialunternehmen leisten: „Je mehr die Politik, die Wirtschaft und die Allgemeinheit erkennen, dass Social Entrepreneurship nicht nur ein Nischensektor ist, sondern ein wichtiger Motor für nachhaltige Entwicklung sein kann, desto besser werden sich diese Unternehmen künftig entfalten können.“