Bis 2050 wird sich die Anzahl der über 60-Jährigen mehr als verdoppeln, daher ist es für die Wissenschaft wichtig, die Mechanismen des Alterns zu erforschen – auch, um altersbedingte Erkrankungen besser zu verstehen und zu behandeln. Corina Madreiter-Sokolowski forscht genau dazu an der Medizinischen Universität Graz. „Während des Alterns verliert unser Körper Funktions- und Regenerationsfähigkeiten. Dadurch steigt mit zunehmendem Alter das Risiko für alterungsbedingte Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder des Nervensystems, auch Krebserkrankungen nehmen zu“, erklärt die Forscherin, die ihr Wissen und ihre Leidenschaft für die Forschung auch in zahlreichen Workshops an junge Menschen vermittelt.
Zellen, die altern
Um den Alterungsprozess im menschlichen Körper besser zu verstehen, muss man sich mit den Zellen befassen: Diese kleinen lebenden Einheiten im Organismus sind die Grundbausteine aller Lebewesen. In unserem Körper gibt es viele verschiedenen Zelltypen, die sich in ihrem Aufbau und ihren Funktionen unterscheiden – wie etwa Muskel-, Haut-, Nerven- und Drüsenzellen. Während des Alterungsprozesses erfahren diese Zelltypen verschiedene Veränderungen.
Die Zellen in unserem Körper müssen sich ständig teilen, damit wir wachsen können und Gewebe sowie Haut sich erneuern können. Das Problem dabei: Je öfter sich die Zellen teilen, desto kürzer werden die Telomere – das sind wiederholende, nicht kodierende DNA-Abschnitte an unseren Chromosomen. Die Chromosomen sind die Transportform unseres Erbguts (DNA) und besonders bei der Zellteilung beteiligt. Die Telomere fungieren als Schutzkappen an den Chromosomen und stellen sicher, dass das Erbgut bei jeder Zellteilung geschützt ist. Allerdings werden die Telomere bei jeder Zellteilung kürzer: Mit ca. 50-60 Jahren erreichen die Telomere in einzelnen Zelltypen eine kritische Länge. Um Schäden am Erbgut zu verhindern, teilen sich unsere Zellen nicht mehr weiter und gehen in den Zustand der Seneszenz über. Die Seneszenz schützt unseren Körper davor, dass sich potenziell beschädigte Zellen weiter teilen. Dies könnte bspw. zur Entstehung von Krebs führen. Allerdings geben seneszente Zellen auch Entzündungsmediatoren ab und schädigen unter anderem dadurch ihre Umgebung.
Mitochondrien
Während des Alterns verändern sich auch die Mitochondrien, die oft als „Kraftwerke der Zellen“ bezeichnet werden, da sie diesen Energie liefern. Corina Madreiter-Sokolowski führt aus: „Die Enzyme der Mitochondrien (‚mitochondriale Atmungskette‘), welche für die Bereitstellung des zentralen Energieträgers ATP notwendig sind, funktionieren im Alter nicht mehr richtig. Dadurch entstehen als Nebenprodukt der mitochondrialen Atmungskette vermehrt Sauerstoffradikale. Darüber können die entstandenen Sauerstoffradikale nicht mehr effizient neutralisiert werden, weil antioxidative Enzyme ihre Funktion verlieren.“
Wenn die Mitochondrien viele Sauerstoffradikale – also hochreaktive Sauerstoffverbindungen – produzieren, kann dies das Erbgut in den Mitochondrien und auch im Zellkern schädigen. Dies kann den Alterungsprozess weiter vorantreiben und auch andere Aspekte des Alterns – wie die Telomerlänge – negativ beeinflussen.
„Folglich häufen sich nach und nach gealterte Zellen an und es kommt sukzessive zu Schäden in Organen, das führt letztlich zu altersbedingten Erkrankungen“, erklärt die Expertin.
Länger leben und gesund altern
Aktuell erreichen Frauen im Durchschnitt ein Alter von 84 Jahren, Männer eines von 79 Jahren. Laut der Wissenschafterin haben wir aber das Potenzial, um noch älter zu werden: „Basierend auf mathematischen Modellierungsversuchen gehen wir in der Forschung derzeit davon aus, dass die maximale Lebenserwartung des Menschen bei etwa 120 bis 125 Jahren liegt.“
Wie man also die Chance auf ein hohes Alter verbessern? Wissenschafter*innen haben sich dazu Menschen aus Regionen angesehen, in denen besonders viele über 100 werden (sogenannte Blue Zones). Daher weiß man, worauf gesundes Altern basiert: Neben einer leicht kalorienreduzierten, ausgewogenen, vorzugsweisen pflanzenbasierten Ernährung, regelmäßigem Sport und der Pflege von sozialen Kontakten ist die Reduktion von Stress sowie von verschiedenen Risikofaktoren (wie Nikotin, Alkohol, UV-Strahlung und Medikamentenmissbrauch) von Bedeutung. „Derzeit gehen wir davon aus, dass der Alterungsprozess zu 70 % durch unseren Lebensstil und Umweltfaktoren beeinflussbar ist und zu 30 % auf genetischer Veranlagung beruht“, sagt Corina Madreiter-Sokolowski.