Waschbären, Nilgänse und Nutrias (auch Sumpfbiber genannt) haben eines gemeinsam – Europa war ursprünglich nicht ihr Lebensraum. Solche bewusst oder unbewusst eingeschleppten Tierarten nennt man in der Fachwelt Neobiota. Wenn diese mit heimischen Tieren um Nahrung und Lebensraum konkurrieren oder Krankheiten übertragen – sich ihre Anwesenheit also negativ auswirkt – dann zählt man sie zu den invasiven Tierarten.
Der Ökologe Franz Essl lehrt am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien und ist Experte für Neobiota und invasive Arten. Er weiß, dass sich diese Tiere durch den globalen Warenverkehr und die Klimakrise ausgebreitet haben, besonders Europa wurde zu einem Hotspot für eingeschleppte Tiere. In einer kürzlich im Fachjournal Nature Sustainability publizierten Studie konnte er – gemeinsam mit Kolleg*innen der Universität Gießen – zeigen, dass es in den Gebieten indigener Bevölkerungen deutlich weniger invasive Arten als in anderen vergleichbaren Naturräumen gibt.
Millionen Datenpunkte für Studie
Zu den indigenen Völkern zählen all jene Ethnien, die sich als Nachfahren der Bewohner*innen eines bestimmten Gebiets betrachten und die dort bereits vor der Eroberung durch Fremde lebten. Zudem haben sie eine enge Bindung an ihren Lebensraum und eigene Traditionen – unabhängig von der Mehrheitsgesellschaft. Die Vereinten Nationen (UN) schätzt, dass weltweit 370 Millionen Indigene in ungefähr 90 Staaten leben, das sind knapp fünf Prozent der Weltbevölkerung. In Europa zählen etwa die Samen (veraltet Lappen) zur indigenen Bevölkerung, in Amerika die Maya oder in Afrika die Berber.
„Uns hat nun interessiert, ob in Gebieten, die von indigenen Bevölkerungen verwaltet werden, weniger fremde Arten zu finden sind als in vergleichbaren anderen Regionen. Das Ergebnis war eindeutig: in Gebieten indigener Bevölkerungen fanden wir ein Drittel weniger nichtheimische Arten als in vergleichbaren Gebieten“, sagt Franz Essl. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen hat er gemeinsam mit Kolleg*innen Daten aus der ganzen Welt ausgewertet. „Dafür haben wir eine Karte der von indigenen Bevölkerungen verwalteten Gebiete verwendet, und die Verbreitung nichtheimischer Arten weltweit ausgewertet. Das waren Millionen von Datenpunkten. Darauf aufbauend haben wir dann statistische Modelle berechnet“, führt der Experte aus.
Nachhaltigere Landnutzung, weniger invasive Arten
Indigene Völker leben meist in abgeschiedenen Gebieten, in denen sie mehr Schutz vor der jeweils dominanten Bevölkerungsgruppe haben. Diese Gebiete sind zudem wichtig für die Artenvielfalt, da dort besonders viele Tiere noch beheimatet sind. Obwohl diese Naturräume ökologisch und klimatisch sehr unterschiedlich sind, haben sie laut Franz Essl Gemeinsamkeiten: „Was sie auszeichnet, ist eine meist geringere Landnutzung, ein höherer Anteil an Wäldern und ein eingeschränktes Verkehrsnetz im Vergleich zum Umland.“
Und genau diese Punkte sind es, die wohl dafür verantwortlich sind, dass sich in den Gebieten der indigenen Völker weniger invasive Arten ausbreiten. „Indigene Bevölkerungen nutzen ihre Regionen meist traditionell und nachhaltig. Das zeigt, dass der Schutz der Rechte dieser Bevölkerungen auch für den Schutz der Biodiversität essenziell ist – etwa in Gebieten wie der Amazonasregion oder in Südostasien, wo der Raubbau an Wäldern ein massives Problem darstellt.“