Den österreichische Maler Christoph Haizmann traf dasselbe Schicksal wie viele Künstler – erst Jahre nach ihrem Tod gelangte er zu Berühmtheit. Weniger aber wegen seiner Werke, sondern weil Sigmund Freud sein psychoanalytisches Auge auf ihn warf. Denn Haizmann hatte sich im 17. Jahrhundert dem Teufel verschrieben.
Die Pakte, die Haizmann mit dem Teufel abschloss, sind in einer Handschrift der Österreichischen Nationalbibliothek überliefert, die auch Bilder des Teufels enthält – Haizmann hatte ihn ja sozusagen mit eigenen Augen gesehen.
Dem kuriosen Fall des Malers widmet sich nun in einem Forschungsprojekt Dr. des. Jasmin Mersmann, die versucht, die historische Person Christoph Haizmann zu rekonstruieren und ihr Augenmerk dabei auf die Verbindung von Kunst mit dem Teufel und die dämonische Dimension des kreativen Akts in Beschreibungen der Neuzeit legt. Die Kulturwissenschaftlerin , die am IFK (Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften) vor einigen Tagen einen Vortrag zum Thema hielt, beantwortete Schrödingers Katze einige teuflische Fragen…
Wie stieß Freud auf Haizmann?
Er wurde gestoßen: Rudolf Payer-Thurn, der damalige Leiter der Fideikommißbibliothek, übermittelte ihm die Abschrift eines Manuskripts mit dem Titel „Trophaeum Mariano-Cellense“, weil er vermutete, dass sich „der berühmte Nervenarzt“ für den „hochgradig neurotisch veranlagten“ Maler interessieren würde. Mit dieser Vermutung lag er richtig, denn Freud interessierte sich seit geraumer Zeit für das Phänomen der Besessenheit (eine Steigerung der Erfahrung, nicht „Herr im eigenen Haus“ zu sein) und dementsprechend auch für die Parallelen zwischen Exorzismus und Psychoanalyse.
Die Kompilation enthält ja auch Abbilder des Teufels – wie hat ihn den Maler dargestellt? Ist kunsthistorisch nachvollziehbar, welche Abbildungen des Teufels Haizmann beinflusst haben könnten?
Eigentlich ist die Idee eines „Teufelsporträts“ ein Widerspruch in sich, denn der Teufel hat nicht ein, sondern unendlich viele Gesichter oder auch nur „masks without a face“, wie Luther Link es formuliert. Dementsprechend sieht der Teufel in jedem von Haizmanns Bildnissen anders aus: im ersten tritt er als ehrbarer Bürger auf, dann als Mischwesen mit Hörnern und Klauen, einmal erscheint er mit Bocksbeinen, dann mit Flügeln und rausgestreckter Zunge, am Ende als fliegender Drachen.
Direkte Vorbilder lassen sich bislang nicht nachweisen, und innerhalb der Logik dieser Darstellungen kann es auch nicht anders sein, denn das Besondere an Haizmanns Teufeln ist ja, dass sie von einem Augenzeugen gemalt sind – was natürlich nichts an der Tatsache ändert, dass sie ihren künstlerischen Doppelgängern ähneln…
„Der Teufel hat nicht ein, sondern unendlich viele Gesichter.“ – Jasmin Mersmann
Welche Form hatten die Pakte von Christoph Haizmann – Deutsch, Latein? Gibt es bestimmte Codes, Verschlüsselungen oder gar einen bestimmten Aufbau bei Teufelspakten im Allgemeinen?
Die Kompilation besteht aus deutschen und lateinischen Texten. Haizmann, der wohl kein Latein beherrschte, schrieb auf deutsch. Der Blutspakt lautet: „Anno 1669. Christoph Haizmann. Ich verschreibe mich diesem Satan, ich sein leibeigner Sohn zu sein, und in 9 Jahr ihm (mit) Leib und Seel zuzugehören.“ Auch wenn Freud glaubte, aus dem Verweis auf die Sohnschaft einen Wunsch nach einem teuflischen „Ersatzvater“ ablesen zu können, verweist diese Formel wohl eher auf das System der Leibeigenschaft. In der lateinischen Fassung steht für „sich verschreiben“ das Wort „mancipare“, das sich aus manus capere ableitet – einer Formel, die in der Antike den Kauf von Sklaven bezeichnete. Das wichtigste am Pakt war die Unterschrift – in den meisten Fällen natürlich mit Blut.
Wie stark unterscheiden sich Teufelsdarstellungen in der Neuzeit von anderen Epochen? Gibt es hier bestimmte „Trends“?
Der Kunsthistoriker Daniel Arasse setzt eine Zäsur in der Zeit nach 1500, als der Teufel in der italienischen Kunst menschliche Gestalt annimmt (bei Signorelli und noch stärker bei Michelangelo). Daneben halten sich aber – besonders im Norden und in der populären Bildsprache – Darstellungen monströser Mischwesen. In der Bildpublizistik der Reformationszeit kommt dann eine neue Gattung von Teufeln auf, die dazu dienen, die jeweils gegnerische Konfession zu dämonisieren. Außerdem werden Sonderformen wie der „Hosen-„, der „Krauß-“ oder der „Saufteufel“ vorgestellt, die bestimmte Laster oder Modeerscheinungen wie Pluderhosen oder Halskrausen verteufeln sollten.
Wie sahen Exorzismen im 17. Jahrhundert aus ? Wieso wollte sich ihnen Haizmann unterziehen?
Exorzismen bestanden aus einer Folge von Gebeten, Lesungen und symbolischen Handlungen wie Besprengen mit Weihwasser, Anhauchen, Kreuzpräsentation und der Berührung mit der Stola oder mit Reliquien, auf die Besessene häufig heftig reagierten. Ein Höhepunkt war die Befragung des „bösen Feinds“ nach Anzahl und Namen der Dämonen, die darauf mit unterschiedlichen Stimmen antworteten. Seit 1614 ist der Ablauf durch das Rituale Romanum geregelt, das einen Wechsel von deprekativen (an Gott gerichteten) und imprekativen (den Satan beschwörenden) Formeln vorsieht.
Insofern Haizmann sich selbst eher als Opfer darstellt, vermischen sich in seiner Gestalt die Figuren des Teufelsbündlers und des Besessenen. Die Exorzismen in Mariazell sollten den Bund lösen, Bedingung dafür war die materielle Auslieferung des Pakts durch den Teufel.
In der Kunstgeschichte wird der Teufel oft sinnbildlich dargestellt – man denke an die Schlange im Garten Eden. Welches Teufelsbild hat Sie bei ihrer Beschäftigung mit dem Thema besonders überrascht bzw. beeindruckt?
Um von einer sinnbildlichen Darstellung zu sprechen, müsste es eine „eigentliche“ Darstellung geben – der Teufel hat aber gar keine eigene Gestalt. Er ist konstitutiv auf Medien angewiesen, d.h. er schlüpft in Leihkörper oder erscheint in Form von Trugbildern. Am faszinierendsten finde ich diejenigen Teufel, denen man ihre Boshaftigkeit kaum ansieht. Zum Beispiel die schöne Frau in einer Zeichnung von Niklaus Manuel Deutsch, die sich einzig durch die unter dem langen Kleid hervorlugende Kralle verrät.
„Der Teufel ist nicht nur ein Unruhestifter, sondern auch ein Buchhalter, der penibel unsere Sünden verzeichnet und sich erstaunlich streng an seine Verträge hält.“ – Jasmin Mersmann
Wie macht sich der Teufel als Förderer der Kreativität – kann seine dämonische Kraft in der Kunst auch beflügeln? Kann man sich das Verhältnis von Gott und Teufel so ähnlich wie das von Apollo und Dionysos bei Nietzsche vorstellen – oder geht es hier um etwas völlig anderes?
Der Teufel selbst vielleicht weniger (es gibt erstaunlich wenig Künstler, die mit ihm paktieren), wohl aber „das Dämonische“, das nicht nur destruktive, sondern auch kreative Energien freisetzt.
Wenn Apollo pauschal für Ordnung und Dionysos für deren Störung, Rausch und Sinnlichkeit steht, dann lassen sich durchaus Ähnlichkeiten feststellen. Allerdings stehen Gott und Teufel nie auf derselben Stufe: Das Besondere an monotheistischen Religionen ist ja, dass sie unterschiedliche Eigenschaften nicht auf mehrere Götter aufteilen können. Außerdem ist der Teufel nicht nur ein Unruhestifter, sondern auch ein Buchhalter, der penibel unsere Sünden verzeichnet und sich erstaunlich streng an seine Verträge hält.
Gibt es in der Kunstgeschichte eigentlich auch Teufelinnen?
Na klar. Der Teufel ist gerade deshalb unheimlich, weil er sämtliche Ordnungen durchkreuzt: Manchmal erscheint er als Mann, manchmal als Frau, manchmal als Tier, oft aber ist er auch alles zugleich.
Würde ich einen Pakt mit dem Teufel machen wollen, was müsste ich tun?
Den Teufel zu rufen ist einfach: oft reicht es, seinen Namen auszusprechen (z.B. in einem Fluch), aber man kann sich auch mit ihm verabreden (an einer Wegkreuzung) oder komplizierte Formeln aufsagen (die man angeblich nur rückwärts zu lesen braucht, um ihn wieder loszuwerden). Wenn der Teufel dann dasteht, wird er sicher weitere Anweisungen geben. Goethes Faust fragt noch „Was willst Du böser Geist von mir/ Erz, Marmor, Pergament, Papier?“ Mephisto ist „jedes Blättchen recht“, Hauptsache Faust unterzeichnet mit einem „Tröpfchen Blut“ – heute langt ihm vielleicht auch ein digitaler Fingerabdruck.